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Maigrets Nacht an der Kreuzung

Maigrets Nacht an der Kreuzung

Titel: Maigrets Nacht an der Kreuzung
Autoren: Georges Simenon
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Boulevard rief er ein Taxi.
    »Zur Gare d’Orsay … Oder warten Sie … Was kostet die Fahrt nach Arpajon? … Dreihundert Francs ei n schließlich Rückfahrt? … Fahren wir!«
    Das passierte ihm selten. Aber er war übermüdet. Nur mit Mühe konnte er den Schlaf vertreiben, der ihm u n ter den Lidern brannte.
    Und womöglich war ihm auch etwas mulmig. Weniger wegen dieser Sache mit der Tür, die er mit der rec h ten Hand geöffnet hatte. Auch nicht wegen dieser außergewöhnlichen Geschichte mit dem Wagen, der M i chonnet gestohlen worden war und den man mit einem Toten hinter dem Lenkrad in Andersens Garage wiede r gefunden hatte.
    Es war vielmehr die Persönlichkeit dieses letzteren, die ihn auf bedrückende Weise beschäftigte.
    Siebzehn Stunden hatte er am Spieß gehangen!
    Ausgekochte Gangster, alte Füchse, deren Namen jeder Polizeistation Europas bekannt waren, hatten einem solchen Verhör nicht standgehalten.
    Vielleicht war gerade das der Grund, weshalb Maigret Andersen freigelassen hatte!
    Hinter Bourg-la-Reine schlief er dann doch auf dem Rücksitz des Taxis ein. Der Chauffeur weckte ihn in A r pajon vor der alten Markthalle mit dem Strohdach.
    »In welchem Hotel steigen Sie ab?«
    »Fahren Sie weiter bis zur Kreuzung der Drei Witwen.«
    Über ölglänzendes Pflaster fuhren sie die Hauptstraße hinauf, die zu beiden Seiten von Reklametafeln gesäumt war, die für Vichy, Deauville, für große Hotels oder Benzinmarken warben.
    Eine Kreuzung. Eine Tankstelle mit fünf rotlackierten Zapfsäulen. Zur Linken die Straße nach Avrainville, wie ein Wegweiser verriet.
    Und ringsum Felder, so weit die Augen reichten.
    »Wir sind da«, sagte der Chauffeur.
    Es gab nur drei Häuser. Zuerst jenes des Tankstellenbesitzers, das, bei laufendem Alltagsgeschäft, aus groben Mauersteinen hastig hochgezogen worden war. Ein gr o ßer Sportwagen mit Aluminiumkarosserie tankte gerade auf. Mechaniker reparierten in der angeschlossenen Werkstatt den Lieferwagen eines Fleischers.
    Gegenüber eine Art Villa aus Mühlkalkstein, mit einem kleinen Garten, den ein zwei Meter hoher Drahtzaun umgab. Ein kupfernes Schild: Emile Michonnet, Versicherungen.
    Das letzte Haus stand zweihundert Meter weiter. Die Mauer, die sich um den Park zog, verdeckte das Erdgeschoß, so daß man nur den ersten Stock, das Schiefe r dach und einige schöne Bäume sah.
    Das Gebäude war mindestens hundert Jahre alt. Ein stattliches Landhaus aus alten Zeiten, mit einem Gärtnerhäuschen, einem Bedienstetengebäude, Hühnerstä l len, einer Pferdestallung. Fünf Steinstufen führten zu einem mit zwei Bronzeleuchtern geschmückten Eingang hinauf.
    Ein kleiner zementierter Teich lag ausgetrocknet da. Aus einem Schornstein mit gemeißeltem Aufsatz stieg ein dünner Rauchfaden kerzengerade empor.
    Das war alles. Jenseits der Felder ein Kirchturm, Dächer von Bauernhöfen, ein am Rande eines Ackers st e hengebliebener Pflug.
    Und auf der glatten Straße fuhren Autos vorüber, – hupten, rasten aneinander vorbei, überholten einander.
    Maigret stieg mit dem Koffer in der Hand aus, bezahlte den Chauffeur, der an der Tankstelle noch au f tankte, ehe er nach Paris zurückfuhr.
    2
    Die sich bewegenden Gardinen
    V
    om Straßenrand her tauchte Lucas auf, der sich hinter den Bäumen dort versteckt hatte. Er kam auf Maigret zu, der seinen Koffer abstellte und L u cas gerade die Hand reichen wollte, als ein lauter werdendes Pfeifen ertönte und plötzlich ein Rennwagen mit Vollgas dicht an ihnen vorbeibrauste, so dicht, daß der Koffer drei Meter weit weggeschleudert wurde.
    Man sah nichts mehr. Der Wagen mit dem Turbogetriebe überholte einen Heuwagen und verschwand am Horizont.
    Maigret verzog das Gesicht.
    »Fahren noch mehr von der Sorte vorbei?«
    »Das war der erste. Sah aus, als hätte er es auf uns abgesehen gehabt, oder?«
    Es war ein grauer Nachmittag. Hinter einem Fenster der Michonnet-Villa bewegte sich ein Vorhang.
    »Kann man hier irgendwo übernachten?«
    »In Arpajon oder Avrainville. Nach Arpajon sind es drei Kilometer. Avrainville liegt zwar näher, aber da gibt es nur einen Landgasthof.«
    »Bring bitte meinen Koffer hin und reserviere die Zimmer. Gibt’s was Neues?«
    »Nichts. Jemand beobachtet uns von der Villa aus. Es ist Madame Michonnet. Ich habe sie vorhin verhört. E i ne ziemlich füllige Dunkelhaarige von eher zweifelha f tem Charakter, wie mir scheint.«
    »Weißt du, warum diese Stelle die Kreuzung der Drei Witwen heißt?«
    »Ich habe mich
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