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Maigrets Nacht an der Kreuzung

Maigrets Nacht an der Kreuzung

Titel: Maigrets Nacht an der Kreuzung
Autoren: Georges Simenon
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Sie ist ganz meiner Me i nung. Bedenken Sie, daß ihr Vater Lehrer am Gymnasium in Montpellier war und daß ihre Mutter Klavieru n terricht gab … Wenn ich Ihnen das sagen darf … Kurz …«
    Das war sein Lieblingswort. Er sprach es in schneidendem und zugleich herablassendem Ton aus.
    »Kurz, es muß so schnell wie möglich eine Entscheidung getroffen werden. Wie jedermann, auch die Reic h sten, den Grafen von Avrainville inbegriffen, habe ich den neuen Wagen auf Raten gekauft. Ich habe achtzehn Wechsel unterschrieben. Ich hätte ihn auch bar zahlen können, müssen Sie wissen, aber es bringt nichts, das Kapital festzulegen. Der Graf von Avrainville, den ich eben erwähnt habe, hat es mit seinem Hispano ebenso gemacht … Kurz …«
    Maigret rührte sich nicht, holte nur tief Luft.
    »Der Wagen ist mir unentbehrlich, da ich ihn für die Ausübung meines Berufes unbedingt benötige. Bedenken Sie, daß sich mein Gebiet auf dreißig Kilometer rund um Arpajon erstreckt. Nun, meine Frau ist meiner Meinung: Wir wollen keinen Wagen, in dem ein Mensch umgebracht worden ist. Es ist Sache der Justiz, das Nötige zu veranlassen, daß uns ein neues Auto b e reitgestellt wird, vom selben Typ wie das vorherige, mit dem kleinen Unterschied vielleicht, daß ich es diesmal in Weinrot will, was am Preis nichts ändert … Bedenken Sie, daß mein Wagen bereits eingefahren war und daß ich gezwungen sein werde …«
    »Ist das alles, was Sie mir zu sagen haben?«
    »Pardon!«
    Noch ein Wort, das er gern benutzte.
    »Pardon, Kommissar! Es versteht sich von selbst, daß ich bereit bin, Ihnen mit all meinem Wissen und me i nen Kenntnissen über die Gegend zu helfen. Aber es muß dringend ein Auto …«
    Maigret fuhr sich mit der Hand über die Stirn.
    »Na schön, ich werde demnächst bei Ihnen vorbeischauen.«
    »Bezüglich des Autos?«
    »Sobald die Ermittlungen beendet sind, wird man Ihnen Ihren Wagen wieder zurückgeben.«
    »Aber wenn ich Ihnen sage, daß Madame Michonnet und ich …«
    »Dann empfehlen Sie mich Madame Michonnet! Guten Tag, Monsieur!«
    Es ging so schnell, daß dem Versicherungsvertreter keine Zeit zum Widerspruch blieb. Man hatte ihm seinen Hut in die Hand gedrückt und ihn hinaus auf den Treppenabsatz geschoben, und der Bürojunge wies ihm den Weg.
    »Hier entlang, bitte. Erste Treppe links. Die Tür gegenüber!«
    Maigret drehte den Schlüssel in seiner Tür gleich zweimal herum und setzte Wasser auf dem Ofen auf, um einen starken Kaffee zu brauen.
    Seine Kollegen glaubten, er arbeite. Aber eine Stunde später mußte er geweckt werden, da ein Telegramm aus Antwerpen eingegangen war, in dem es hieß:
     
    Isaac Goldberg, fünfundvierzig Jahre, Diamantenhändler mittlerer Bedeutung. Hier recht bekannt. Gute Bankref e renzen. Sucht jede Woche per Zug oder Flugzeug die Börsen in Amsterdam, London und Paris auf. Luxusvilla in Borgerhout, Rue de Campine. Verheiratet. Vater von zwei Kindern im Alter von acht und zwölf Jahren.
    Madame Goldberg ist benachrichtigt worden. Hat den Zug nach Paris genommen.
     
    Um elf Uhr am Vormittag klingelte das Telefon. Es war Lucas.
    »Hallo! Ich bin an der Kreuzung der Drei Witwen. Ich rufe aus der Autowerkstatt an, die sich zweihundert Meter vom Haus der Andersens befindet. Der Däne ist heimgekommen, das Tor ist wieder zu … Nichts Beso n deres.«
    »Die Schwester?«
    »Muß dort sein, aber ich habe sie nicht gesehen.«
    »Und Goldbergs Leichnam?«
    »Ist in der Leichenhalle in Arpajon.«
     
    Maigret ging nach Hause in seine Wohnung am Boulevard Richard-Lenoir.
    »Du siehst müde aus«, sagte seine Frau nur.
    »Pack mir einen Anzug und ein Paar Schuhe zum Wechseln in einen Koffer.«
    »Bleibst du lange weg?«
    Sie hatte ein Ragout auf dem Herd stehen. Im Schlafzimmer stand das Fenster auf, und die Bettdecken waren zum Lüften zurückgeschlagen. Madame Maigret war noch nicht dazu gekommen, ihre Lockenwickler aus dem Haar zu nehmen.
    »Auf Wiedersehen!«
    Er küßte sie. Als er zur Tür hinausging, stellte sie fest:
    »Du hast die Tür mit der rechten Hand aufgemacht!«
    Das war gegen seine Gewohnheit. Er öffnete sie sonst immer mit der linken Hand. Und Madame Maigret machte kein Geheimnis daraus, daß sie abergläubisch war.
    »Worum geht es? Eine Verbrecherbande?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Fährst du weit weg?«
    »Ich weiß es noch nicht.«
    »Paß auf dich auf, ja?«
    Aber er war schon an der Treppe und wandte sich nur kurz mit einem flüchtigen Gruß um. Unten auf dem
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