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Maigret verteidigt sich

Maigret verteidigt sich

Titel: Maigret verteidigt sich
Autoren: Georges Simenon
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Methoden, die zu Ihrer Zeit vielleicht ihr Gutes gehabt haben…«
    Das Streichholz knisterte laut und ließ den jungen Mann zusammenzucken, aber er sagte nichts. Nachdem sein Lächeln eine Sekunde lang verschwunden war, kehrte es wieder.
    »Die alte Polizei hat ihre Traditionen. Die Spitzel zum Beispiel. Man unterhält gute Beziehungen zu Personen, die am Rande des Gesetzes leben. Man schließt die Augen vor dem, was diese Leute tun, und sie ihrerseits sind einem behilflich. Benutzen Sie noch Spitzel, Monsieur Maigret?«
    »Wie jede Polizei in der Welt.«
    »Drücken Sie auch die Augen zu?«
    »Wenn es notwendig ist.«
    »Ist Ihnen nie bewußt geworden, daß sich seit der Zeit Ihrer Anfänge vieles geändert hat?«
    »Ich habe neun Leiter der Kriminalpolizei und elf Polizeipräfekten erlebt.«
    Es half nichts! Er war sich das selbst und allen seinen Kollegen am Quai schuldig, den alten jedenfalls, denn die jungen Inspektoren nahmen gern die Haltung dieses Tennisspielers an. Wenn der Schlag gesessen hatte, dann ließ sich der Präfekt das jedenfalls nicht anmerken. Er hätte ein Diplomat sein können. Wer weiß, vielleicht würde er seine Laufbahn als Botschafter beenden!
    »Kennen Sie Mademoiselle Prieur?«
    Der eigentliche Angriff begann. Auf welchem Terrain? Maigret tappte noch im dunkeln.
    »Müßte ich sie kennen, Herr Präfekt?«
    »Allerdings.«
    »Dennoch ist es das erstemal, daß ich diesen Namen höre.«
    »Mademoiselle Nicole Prieur. Haben Sie auch noch nie von Monsieur Jean-Baptiste Prieur gehört, dem Berichterstatter über Eingaben und Gesuche im Staatsrat?«
    »Nein.«
    »Er wohnt am Boulevard de Courcelles 42.«
    »Aha.«
    »Er ist der Onkel Nicoles, die bei ihm lebt.«
    »Ich glaube Ihnen, Herr Präfekt.«
    »Und ich frage Sie, Herr Kommissar, wo waren Sie heute nacht um ein Uhr?«
    Diesmal hatte er in kühlerem Ton gesprochen, seine Augen lächelten nicht mehr. »Ich warte auf Ihre Antwort.«
    »Ist dies ein Verhör?«
    »Nennen Sie es, wie Sie wollen. Ich habe Ihnen eine Frage gestellt.«
    »Darf ich Sie fragen, in welcher Eigenschaft?«
    »Als Ihr Vorgesetzter.«
    »Gut.«
    Maigret nahm sich Zeit. Noch nie in seinem Leben hatte er sich so gedemütigt gefühlt. Seine Finger umklammerten den Kopf seiner ausgegangenen Pfeife so fest, daß sie weiß wurden. »Ich bin um halb elf zu Bett gegangen, nachdem ich mit meiner Frau das Fernsehprogramm gesehen habe.«
    »Haben Sie zu Hause zu Abend gegessen?«
    »Ja.«
    »Wann sind Sie ausgegangen?«
    »Ich komme noch darauf, Herr Präfekt. Kurz vor Mitternacht hat das Telefon geläutet.«
    »Ihre Nummer steht wohl im Telefonbuch?«
    »Ja.«
    »Ist das nicht lästig? Alle möglichen Leute können Sie anrufen.«
    »Ich habe das auch gedacht. Jahrelang hatte ich eine Geheimnummer, aber die Leute haben sie schließlich doch herausbekommen. Nachdem ich sie fünf- oder sechsmal habe ändern lassen, habe ich darauf verzichtet.«
    »Was für Ihre Spitzel bequem ist. Außerdem können sie Sie persönlich anrufen, statt sich an die Kriminalpolizei zu wenden, womit man Ihnen in den Augen der Öffentlichkeit das ganze Verdienst an der Aufklärung einer Affäre zuschanzt.«
    Maigret brachte es über sich, zu schweigen.
    »Man hat Sie also kurz vor Mitternacht angerufen. Wann genau?«
    »Ich habe den Hörer im Dunkeln abgenommen. Es war ein langes Gespräch. Als meine Frau Licht gemacht hatte, war es zehn Minuten vor zwölf.«
    »Wer hat Sie angerufen? Jemand, den Sie kennen?«
    »Nein. Eine Frau.«
    »Hat sie ihren Namen gesagt?«
    »Da nicht.«
    »Also nicht während des Telefongesprächs, das Sie angeblich mit ihr geführt haben.«
    »Ich habe es geführt.«
    »Nun gut. Hat sie sich mit Ihnen in der Stadt verabredet?«
    »In gewissem Sinn.«
    »Was wollen Sie damit sagen?«
    Natürlich war er naiv gewesen, und es fiel ihm schwer, es sich vor diesem Grünschnabel mit befriedigtem Lächeln einzugestehen.
    »Sie war gerade in Paris angekommen, wo sie noch nie vorher gewesen ist.«
    »Wie bitte?«
    »Ich wiederhole Ihnen, was sie mir gesagt hat. Sie hat hinzugefügt, sie sei die Tochter eines Richters in La Rochelle, achtzehn Jahre alt, ersticke in einer zu strengen Familie. Eine Schulfreundin, die seit einem Jahr in Paris sei, habe ihr den Zauber und die Möglichkeiten der Hauptstadt gepriesen.«
    »Originell, nicht wahr?«
    »Ich habe weniger originelle Beichten gehört, die aber darum nicht weniger aufrichtig waren. Wissen Sie die Zahl junger Mädchen aus guten Familien,
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