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Maigret und die Unbekannte

Maigret und die Unbekannte

Titel: Maigret und die Unbekannte
Autoren: Georges Simenon
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Glücksspiels und einmal wegen Verschiebung von Gold nach Belgien im Gefängnis gesessen hatte. Außerdem war Falconi einmal in den Verdacht geraten, auf dem Montmartre das Mitglied einer Verbrecherbande erschossen zu haben, aber man hatte es ihm nicht nachweisen können, und so war er wieder freigelassen worden.
    Er mußte jetzt fünfunddreißig Jahre alt sein.
    Auf beiden Seiten vermied man unnütze Worte; man wußte genau, was man voneinander zu halten hatte, und jedes Wort, das man sagte, hatte sein besonderes Gewicht.
    »Hast du die Kleine wiedererkannt, als du am Dienstag die Zeitung gelesen hast?«
    Albert leugnete es nicht, gab es aber auch nicht zu, sondern blickte den Kommissar weiter mit unbewegter Miene an.
    »Wieviele Gäste waren hier, als sie am Montagabend hereinkam?« Maigret schätzte unwillkürlich die Größe des Raums ab. Es gibt in Paris eine ganze Anzahl solcher Bars, und wer dort zufällig hereinkommt, wenn sonst kein anderer Gast anwesend ist, mag sich fragen, wie solch ein Lokal überhaupt existieren kann.
    Nun, es lebt von seiner Stammkundschaft, Leuten, die mehr oder weniger aus demselben Milieu kommen und zu den gleichen Stunden sich regelmäßig hier einfinden.
    Morgens schien das Lokal geschlossen zu sein. Albert war wahrscheinlich erst eben gekommen und hatte gerade seine Flaschen aufgestellt. Abends dagegen waren die Hocker sicherlich alle besetzt, und es war dann gerade noch soviel Platz, daß man sich an der Wand entlangschlängeln konnte.
    Im Hintergrund befand sich eine steile Treppe, die in den Keller führte.
    »Es war ganz hübsch voll«, sagte der Wirt.
    »War es zwischen zwölf und eins?«
    »Es war schon fast eins.«
    »Hattest du sie schon einmal gesehen?«
    »Nein, es war das erstemal.«
    Alle hatten sich gewiß nach Luise umgedreht und sie neugierig gemustert. Die einzigen Frauen, die hier verkehrten, waren Strichmädchen, die ganz anders als das junge Mädchen wirkten. Ihr verblichenes Abendkleid und das ihr viel zu große Samtcape hatten sicherlich eine gewisse Sensation verursacht.
    »Was hat sie gemacht?«
    Albert runzelte die Brauen, wie jemand, der sich zu erinnern versucht.
    »Sie hat sich gesetzt.«
    »Wo?«
    »Dort, wo Sie jetzt sitzen. Es war der einzige freie Platz in der Nähe der Tür.«
    »Was hat sie getrunken?«
    »Einen Martini.«
    »Hat sie sofort einen Martini bestellt?«
    »Als ich sie gefragt habe, was sie nähme.«
    »Und dann?«
    »Dann hat sie eine ganze Weile nichts gesagt.«
    »Hatte sie eine Handtasche bei sich?«
    »Sie hat sie auf die Theke gelegt. Eine Silbertasche.«
    »Hat dir Lognon diese Fragen schon gestellt?«
    »Nicht in der gleichen Reihenfolge.«
    »Fahr fort.«
    »Ich möchte lieber antworten.«
    »Hat sie dich gefragt, ob du einen Brief für sie hättest?«
    Er nickte.
    »Wo war der Brief?«
    Er drehte sich langsam um und deutete auf eine Stelle zwischen zwei Flaschen, die nicht oft benutzt zu werden schienen und wo zwei oder drei für Gäste bestimmte Briefe lagen.
    »Hier.«
    »Hast du ihn ihr gegeben?«
    »Ich habe ihren Personalausweis verlangt.«
    »Warum?«
    »Weil man mir gesagt hatte, ich solle das tun.«
    »Wer hatte das gesagt?«
    »Der Mann.«
    Er sagte nie mehr, als unbedingt nötig war, und während der Pause hinter jeder Frage versuchte er offensichtlich, die folgende zu erraten.
    »Jimmy?«
    »Ja.«
    »Kennst du seinen Familiennamen?«
    »Nein. In den Bars nennen die Leute selten ihren Familiennamen.«
    »Es kommt drauf an, in welchen Bars.«
    Albert zuckte die Schultern, wie um zu zeigen, daß ihn diese Bemerkung nicht kränkte.
    »Sprach er Französisch?«
    »Für einen Amerikaner ziemlich gut.«
    »Was für ein Typ war er?«
    »Das wissen Sie doch wohl besser als ich.«
    »Nun, sag es schon.«
    »Ich hatte den Eindruck, daß er eine Reihe von Jahren im Kittchen gesessen hat.«
    »Ein kleiner, dürrer, kränklich Aussehender?«
    »Ja.«
    »War er Montag hier?«
    »Er hatte Paris schon fünf oder sechs Tage vorher verlassen.«
    »Kam er bis dahin jeden Tag?«
    Albert nickte geduldig, und da die Gläser leer waren, ergriff er die Pernodflasche, um sie neu zu füllen.
    »Er verbrachte seine meiste Zeit hier.«
    »Weißt du, wo er wohnte?«
    »Wahrscheinlich in einem Hotel im Viertel, aber ich weiß nicht, in welchem.«
    »Hatte er dir schon den Brief gegeben?«
    »Nein, er hatte mir nur gesagt, wenn das junge Mädchen nach ihm frage, solle ich ihr sagen, wann sie ihn hier antreffen könne.«
    »Wann war er immer
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