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Maigret und der Treidler der Providence

Maigret und der Treidler der Providence

Titel: Maigret und der Treidler der Providence
Autoren: Georges Simenon
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befindet sich der Mannschaftsraum, in dem Wladimir schläft. Er war früher Leichtmatrose bei der russischen Marine. Er hat in der Flotte von Admiral Wrangel gedient …«
    »Gehört sonst niemand mehr zur Mannschaft? Keine Dienstboten?«
    »Wladimir kümmert sich um alles.«
    »Und weiter?«
    »Zwischen dem Mannschaftsraum und diesem Salon befindet sich rechts die Küche und links der Waschraum.«
    »Und hinten?«
    »Der Motor.«
    »Sie waren also zu viert in dieser Kajüte?«
    »Es gibt vier Kojen hier. Zunächst die beiden Bänke, die Sie sehen und die sich zu einer Bettcouch ausziehen lassen. Dann …«
    Willy ging auf eine Zwischenwand zu, öffnete eine Art langer Schublade und brachte ein komplettes Bett zum Vorschein.
    »Davon gibt es auf jeder Seite eines. Sie sehen …«
    Maigret begann in der Tat ein bißchen klarer zu sehen. Er ahnte, daß er bald das Geheimnis dieses merkwürdigen Zusammenlebens erfahren würde.
    Der Colonel hatte den verschwommenen und wäßrigen Blick eines Betrunkenen. Er schien sich nicht für das Gespräch zu interessieren.
    »Was ist in Meaux geschehen? Und, vor allem, wann sind Sie dort angekommen?«
    »Mittwoch abend. Meaux ist eine Tagesreise von Paris entfernt. Wir hatten zwei Mädchen vom Montparnasse mitgenommen …«
    »Erzählen Sie weiter.«
    »Es war sehr schönes Wetter. Wir haben den Plattenspieler laufen lassen und auf dem Deck getanzt. Gegen vier Uhr morgens habe ich die Mädchen zum Hotel zurückgebracht, und am nächsten Tag werden sie den Zug genommen haben …«
    »Wo hatte die ›Southern Cross‹ festgemacht?«
    »In der Nähe der Schleuse.«
    »Und am Donnerstag hat sich nichts Besonderes ereignet?«
    »Wir sind sehr spät aufgestanden, denn wir waren zwischendurch mehrfach durch einen Kran geweckt worden, der ganz in der Nähe einen Schleppkahn mit Steinen belud. Der Colonel und ich sind dann auf einen Aperitif in die Stadt gegangen. Am Nachmittag … Warten Sie … Der Colonel schlief. Ich habe mit Gloria Schach gespielt. Gloria, das ist Madame Negretti.«
    »Auf Deck?«
    »Ja. Ich glaube, Mary war spazierengegangen.«
    »Ist sie nicht mehr zurückgekommen?«
    »Doch, ja! Sie hat an Bord zu Abend gegessen. Der Colonel hat dann vorgeschlagen, den Abend in einem Tanzlokal zu verbringen, aber Mary wollte nicht mitgehen. Als wir zurückgekommen sind, gegen drei Uhr morgens, war sie nicht mehr da …«
    »Haben Sie überhaupt nicht nach ihr gesucht?«
    Sir Walter trommelte mit den Fingerspitzen auf die lackierte Tischplatte.
    »Der Colonel hat Ihnen doch schon gesagt, daß sie kommen und gehen konnte, wann sie wollte. Wir haben bis Samstag auf sie gewartet und sind dann weitergefahren. Sie kannte die Reiseroute und wußte, wo sie uns wieder treffen konnte.«
    »Sind Sie auf dem Weg zum Mittelmeer?«
    »Zur Insel Porquerolles, vor Hyères. Wir verbringen dort den größten Teil des Jahres. Der Colonel hat da unten eine alte Festung gekauft. ›Petit Langoustier‹ heißt sie.«
    »Und den Freitag über sind alle an Bord geblieben?«
    Willy zögerte kurz und antwortete dann ziemlich lebhaft:
    »Ich bin nach Paris gefahren.«
    »Warum?«
    Er lachte, mit einem unsympathischen Lachen, bei dem sich sein Mund auf eine unnatürliche Weise verzog.
    »Ich habe Ihnen von unseren beiden Freundinnen erzählt. Ich hatte Lust, sie wiederzusehen. Zumindest die eine von ihnen.«
    »Würden Sie mir ihre Namen nennen?«
    »Ihre Vornamen: Suzy und Lia. Sie sind jeden Abend im Coupole. Sie wohnen in dem Hotel an der Ecke der Rue de la Grande-Chaumière.«
    »Professionelle?«
    »Nette kleine Dinger …«
    Die Tür wurde geöffnet, und Madame Negretti erschien in einem grünen Seidenkleid.
    »Darf ich hereinkommen?«
    Der Colonel antwortete mit einem Achselzucken. Er mußte bei seinem dritten Whisky angelangt sein, und er nahm sehr wenig Soda dazu.
    »Willy. Fragen Sie. Wegen der Formalitäten.«
    Maigret brauchte keinen Dolmetscher, um ihn zu verstehen. Diese seltsame, beiläufige Art, ihm Fragen zu stellen, begann ihn aufzuregen.
    »Natürlich müssen Sie erst einmal die Tote identifizieren. Nach der Autopsie wird sie wahrscheinlich zur Beerdigung freigegeben. Sie bestimmen, wo sie beigesetzt werden soll, und …«
    »Kann man sofort fahren? Gibt es eine Tankstelle, wo ich ein Auto mieten kann?«
    »In Epernay.«
    »Willy. Rufen Sie an und bestellen Sie einen Wagen … Jetzt sofort, ja?«
    »Im Café de la Marine ist ein Telefon«, bemerkte Maigret, während der junge Mann verdrossen
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