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Maigret - 26 - Maigret regt sich auf

Maigret - 26 - Maigret regt sich auf

Titel: Maigret - 26 - Maigret regt sich auf
Autoren: Georges Simenon
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würde? Ich bin davon überzeugt. Denn er hat automatisch einen Blick auf die Schreibtischschublade geworfen, wo er normalerweise seinen Revolver aufbewahrte. Ich wette, wenn ich ihm die Zeit dazu gelassen hätte, dann hätte er sich verteidigt und vermutlich zuerst geschossen.
    ›Hör zu, Malik‹, habe ich gesagt. ›Ich bin über deine unsauberen Machenschaften unterrichtet. Roger ist tot.‹ Roger, das ist der Sohn von Campois. ›Deine Tochter ist tot, dein Sohn …‹«
    Bei den beiden Wörtern ›deine Tochter‹ riß Maigret die Augen auf. Er begann endlich zu verstehen und blickte die alte Dame mit einer Verblüffung an, die er nicht zu verbergen suchte.
    »›Da es keinen anderen Weg gibt, aus der Sache herauszukommen, und da keiner den Mut hat, es zu tun, muß es eben eine alte Großmutter übernehmen. Adieu, Malik!‹
    Und mit dem letzten Wort habe ich abgedrückt. Er stand keine drei Meter entfernt. Er hat die Hände auf seinen Leib gepreßt, denn ich hatte zu niedrig gezielt. Ich habe zwei weitere Schüsse abgegeben. Er ist zu Boden gesunken, und Laurence kam wie eine Verrückte herbeigerannt.
    ›So!‹ habe ich zu ihr gesagt. ›Jetzt haben wir unsere Ruhe und können endlich wieder atmen.‹
    Arme Laurence! Ich glaube, auch für sie ist es eine Erleichterung gewesen. Nur Aimée hat um ihn geweint.
    ›Ruf einen Arzt, wenn du willst, aber ich denke, es ist nicht nötig‹, fuhr ich fort. ›Er ist tot! Und wenn er es nicht wäre, würde ich ihm eine Kugel durch den Kopf schießen. Ich rate dir nun, den Rest der Nacht bei uns zu verbringen. Die Dienerschaft braucht nicht gerufen zu werden.‹
    Dann sind wir beide gegangen. Aimée kam uns entgegengelaufen, während Charles mit verschlossener Miene an der Tür stehenblieb.
    ›Was hast du getan, Mama? Warum ist Laurence …?‹
    Ich habe Aimée davon unterrichtet. Sie hatte es geahnt nach dem Gespräch, das wir in meinem Zimmer geführt hatten. Charles wagte nicht, den Mund aufzumachen. Er folgte uns wie ein großer Hund.
    Ich bin ins Haus zurückgekehrt und habe die Gendarmerie angerufen. Sie sind sehr zuvorkommend gewesen.«
    »Aimée also …«, murmelte Maigret nach kurzem Schweigen.
    »Ich bin ein altes Schaf, denn das hätte ich ahnen müssen. Bei Roger Campois zum Beispiel habe ich immer geargwöhnt, zumindest, daß Malik ihn zum Spielen verführt hat.
    Wenn man bedenkt, wie froh ich damals war, daß er unser Schwiegersohn wurde! Er glänzte mehr als die anderen. Er verstand es, mich zu amüsieren. Mein Mann hatte den Geschmack eines Kleinbürgers oder gar eines Bauern, und es war Malik, der uns gezeigt hat, wie man lebt, der uns nach Deauville geführt hat. Sehen Sie, bevor er da war, hatte ich nie einen Fuß in ein Casino gesetzt, und ich erinnere mich, daß er mir die ersten Jetons gegeben hat, damit ich Roulette spielen konnte.
    Er hat Laurence geheiratet …«
    »Weil Aimée zu jung war, nicht wahr? Weil sie damals erst fünfzehn war? Wenn Aimée zwei Jahre älter gewesen wäre, hätte Roger Campois vielleicht überlebt. Er hätte die ältere Tochter geheiratet und Malik die jüngere.«
    Von unten hörte man ein Kommen und Gehen. Durch das Fenster sah man eine Menschengruppe, die sich Maliks Villa näherte, wo die Leiche immer noch lag.
    »Aimée hat ihn wirklich geliebt«, seufzte Madame Amorelle. »Sie liebt ihn heute noch, trotz allem. Sie haßt mich jetzt wegen meiner Tat letzte Nacht.«
    Die Leiche im Schrank! Wenn in diesem symbolischen Schrank einzig die Leiche des schüchternen Roger Campois wäre!
    »Wann ist ihm eingefallen, seinen Bruder kommen zu lassen, um Ihre jüngere Tochter zu heiraten?«
    »Ungefähr zwei Jahre nach seiner eigenen Eheschließung. Und ich war so naiv! Ich sah sehr wohl, daß Aimée sich allein für ihren Schwager interessierte, daß sie von den beiden Schwestern die verliebtere war. Die Leute, die uns nicht kannten, täuschten sich, und auf Reisen, wenn wir alle zusammen waren, war sie es, trotz ihres Alters, die mit ›Madame‹ angeredet wurde.
    Laurence war nicht eifersüchtig. Sie bemerkte nichts, sie lebte weiter im Schatten ihres Mannes, dessen Persönlichkeit sie erdrückte.«
    »Monita war also die Tochter von Ernest Malik?«
    »Ich weiß es seit gestern. Aber es gibt noch andere Dinge, von denen ich, alt wie ich bin, am liebsten nichts wissen möchte.«
    Und dieser Bruder, den man aus Lyon kommen ließ, wo er nichts als ein kleiner Angestellter gewesen war, und den man eine reiche Erbin heiraten
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