Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Maigret - 26 - Maigret regt sich auf

Maigret - 26 - Maigret regt sich auf

Titel: Maigret - 26 - Maigret regt sich auf
Autoren: Georges Simenon
Vom Netzwerk:
Ihnen noch gesagt? Was haben Sie unternommen?«
    »Mein Gott, hinter dieser Geschichte steckt soviel Schmutz, daß ein bißchen mehr oder weniger …«
    Es ekelte ihn an. Das passierte ihm oft, wenn er zum Ende einer Ermittlung kam, vielleicht wegen der fieberhaften Anspannung, vielleicht, weil es so gemein und deprimierend ist, auf den bloßen Menschen zu stoßen.
    Es duftete nach Kaffee in der Wohnung. Man hörte die Vögel und die Springbrunnen von der Place des Vosges. In der frischen, noch leichten Morgensonne gingen die Leute zur Arbeit.
    Vor ihm ein blasser Jüngling, der sich bis zum Kinn zudeckte und ihn nicht aus den Augen ließ.
    Was konnte Maigret für ihn, für die anderen tun? Nichts! Einen Malik hält man nicht auf. Die Justiz beschäftigt sich mit solchen Verbrechen nicht. Es gab nur eine Lösung …
    Es war merkwürdig, daß er genau vor dem Telefonanruf daran dachte. Da stand er, zog an seiner Pfeife, verlegen vor diesem Jungen, der nicht wußte, was er machen sollte, und hatte für einen Augenblick die Vision von einem Ernest Malik, dem man einen entsicherten Revolver in die Hand drückte und mit fester Stimme befahl:
    »Schieß!«
    Aber er würde nicht schießen! Er würde nicht bereit sein, sich zu töten. Man mußte nachhelfen.
    Das Klingeln des Telefons hallte nachdrücklich in der Wohnung wider. Madame Maigret antwortete, klopfte an die Tür.
    »Es ist für dich, Maigret.«
    Er ging ins Eßzimmer hinüber, griff zum Hörer.
    »Ja, bitte …«
    »Sind Sie’s, Chef? Hier ist Lucas. Als ich eben ins Büro kam, fand ich eine wichtige Nachricht für Sie aus Orsenne vor, ja … Heute nacht hat Madame Amorelle …«
    Man hätte es ihm wahrscheinlich nicht geglaubt, wenn er behauptet hätte, daß er es in diesem Moment wußte. Aber es stimmte tatsächlich.
    Sie hatte weiß Gott ungefähr den gleichen Weg zurückgelegt wie er. Sie war fast zur gleichen Stunde zu den gleichen Schlußfolgerungen gekommen. Nur hatte sie ihre Konsequenzen gezogen.
    Und da sie wußte, daß ein Malik nicht schießt, hatte sie seelenruhig selbst abgedrückt.
    »Madame Amorelle hat Ernest Malik mit einem Revolver erschossen. Zu Hause, ja … In seinem Arbeitszimmer. Er war im Schlafanzug und hatte einen Morgenrock übergezogen. Die Gendarmerie hat in aller Frühe hier angerufen, um Sie zu benachrichtigen, denn sie wünscht Sie zu sprechen …«
    »Ich fahre hin«, sagte er.
    Er ging in das Zimmer zurück, wo der junge Mann in seine Hose geschlüpft war und nun seinen noch mageren Oberkörper zeigte.
    »Dein Vater ist tot«, verkündete er, während er woanders hinblickte.
    Stille. Er drehte sich um. Georges-Henry weinte nicht, er starrte ihn reglos an.
    »Er hat sich getötet?«
    Also hatten nicht zwei, sondern drei an dieselbe Lösung gedacht. Wer weiß, ob der Junge nicht versucht gewesen war, in einem bestimmten Augenblick selbst zur Waffe zu greifen?
    Trotzdem blieb ein Rest von Ungläubigkeit in seiner Stimme, als er wiederholte:
    »Er hat sich getötet?«
    »Nein. Es war deine Großmutter.«
    »Wer hat es ihr gesagt?«
    Er biß sich auf die Lippen.
    »Wer soll ihr was gesagt haben?«
    »Das, was Sie wissen … Campois?«
    »Nein, mein Kleiner. Daran dachtest du nicht …«
    Er hatte recht, denn sein Gegenüber errötete sichtlich.
    »Da ist noch etwas anderes, nicht wahr? Nicht, weil dein Vater damals den jungen Campois dazu getrieben hatte, sich das Leben zu nehmen, hat Bernadette Amorelle ihn erschossen.«
    Er ging im Zimmer auf und ab. Er hätte beharrlich bleiben können. Er wäre mit seinem Gegner, der ihm nicht gewachsen war, schon fertiggeworden.
    »Bleib hier«, sagte er schließlich.
    Er holte seinen Hut aus dem Eßzimmer.
    »Paßt weiter auf ihn auf«, rief er seiner Frau und Mimile zu, die gerade zusammen frühstückten.
    Es war strahlendes Wetter, die Luft war in ihrer morgendlichen Frische so köstlich, daß man hätte hineinbeißen mögen wie in eine Frucht.
    »Taxi … Die Straße nach Fontainebleau. Ich zeige Ihnen den Weg.«
    Es standen drei oder vier Autos auf dem Leinpfad, wahrscheinlich die von der Staatsanwaltschaft. Einige Neugierige vor dem Gittertor, die ein gleichgültiger Polizist zurückhielt. Er grüßte Maigret, der die Allee entlangschritt und bald darauf die Freitreppe erreichte.
    Der Kommissar der Kriminalpolizei von Melun war bereits am Tatort. Er hatte seinen Hut aufbehalten und eine Zigarre zwischen den Lippen.
    »Freue mich, Sie zu sehen, Maigret … Ich wußte nicht, daß Sie wieder
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher