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Maigret - 26 - Maigret regt sich auf

Maigret - 26 - Maigret regt sich auf

Titel: Maigret - 26 - Maigret regt sich auf
Autoren: Georges Simenon
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schütten sollte, band schließlich die Träger ab, denn nie hätte sie in so einem Aufzug die Tür geöffnet.
    Der Klopfer ertönte erneut, zweimal, dreimal, herrisch, wütend, hätte man meinen können. Maigret war es, als vernehme er durch die schwirrende Luft das leichte Brummen eines Automotors. Er blieb über die Auberginen gebeugt, während seine Frau vor einer Spiegelscherbe ihr graues Haar ordnete.
    Sie war kaum in den Schatten des Hauses getreten, als sich die kleine Tür in der Gartenmauer auftat, das grüne Türchen, das zur Gasse führte und durch das nur Bekannte hereinkamen. Eine alte Dame stand im Türrahmen, und zwar so steif, so streng und zugleich so drollig, daß Maigret sich noch lange an diese Erscheinung erinnern sollte.
    Nur eine Sekunde verharrte sie, dann ging sie entschlossenen und beschwingten Schritts, was zu ihrem hohen Alter kaum zu passen schien, direkt auf Maigret zu.
    »Sagen Sie, Gärtner … Sie brauchen gar nicht erst zu behaupten, daß der Herr des Hauses nicht da sei … Ich habe mich bereits erkundigt …«
    Sie war groß und mager, voller Falten im Gesicht, auf dem der Schweiß eine dicke Puderschicht durchdrungen hatte. Am überraschendsten waren jedoch ihre tiefschwarzen Augen, die eine ungewohnte Lebendigkeit ausstrahlten.
    »Gehen Sie sofort und sagen Sie ihm, daß Bernadette Amorelle hundert Kilometer gefahren ist, um ihn zu sprechen …«
    Vermutlich hatte sie nicht die Geduld gehabt, vor der verschlossenen Haustür zu warten. Das konnte man mit ihr nicht machen! Also hatte sie sich bei den Nachbarn erkundigt und sich auch von den vorgelegten Fensterläden nicht beeindrucken lassen.
    Hatte man sie auf die kleine Gartenpforte hingewiesen? Das war nicht nötig. Sie war selbständig genug, um sie allein zu finden. Und jetzt marschierte sie auf den schattigen Hof zu, wo Madame Maigret soeben wieder erschien.
    »Wollen Sie bitte Kommissar Maigret sagen …«
    Madame Maigret begriff nicht. Ihr Mann folgte der Alten mit schweren Schritten und leicht amüsiertem Blick. Er war es, der sie aufforderte:
    »Wenn Sie bitte hereinkommen wollen …«
    »Er hält bestimmt seine Siesta. Ist er immer noch so dick?«
    »Sie kennen ihn?«
    »Was geht Sie das an? Melden Sie ihm Bernadette Amorelle, um alles andere brauchen Sie sich nicht zu kümmern …«
    Sie besann sich anders, kramte in ihrer altmodischen Handtasche, einem Täschchen aus schwarzem Samt mit silbernem Verschluß, wie es sie um 1900 gegeben hatte.
    »Hier …«, sagte sie und reichte ihm einen kleinen Geldschein.
    »Das kann ich leider nicht annehmen, Madame Amorelle, denn ich selbst bin Exkommissar Maigret …«
    Da sprach sie ein großartiges Wort aus, das in diesem Haus zur Tradition werden sollte. Sie sah ihn von den Schuhen bis zum zerzausten Haar an – den breiten Strohhut hatte er abgenommen – und sagte: »Wenn Sie wollen …«
     
    Arme Madame Maigret! Sie konnte ihrem Mann noch so viele Zeichen geben, er nahm sie nicht wahr. Ihre bemüht unauffälligen Winke bedeuteten etwa:
    ›Führ sie doch in den Salon … Empfängt man Besucher auf einem Hof, der als Küche und dergleichen dient?‹
    Aber Madame Amorelle hatte sich auf einen Korbstuhl gesetzt, und das schien ihr zu behagen. Als sie die Gesten von Madame Maigret bemerkte, rief sie ihr ungeduldig zu:
    »Lassen Sie doch den Kommissar in Frieden …«
    Es fehlte nicht viel, und sie hätte Madame Maigret gebeten, sich zu entfernen, was diese übrigens auch tat, da sie nicht wagte, ihre Arbeit in Gegenwart der Besucherin fortzusetzen, und nicht wußte, wo sie Platz nehmen sollte.
    »Mein Name ist Ihnen bekannt, nicht wahr, Herr Kommissar?«
    »Amorelle mit den Kiesgruben und Schleppdampfern?«
    »Amorelle und Campois, ja …«
    Er hatte einst eine Ermittlung im Departement Haute Seine durchgeführt und damals tagelang Schleppkähne mit dem grünen Dreieck der Firma Amorelle und Campois vorüberziehen sehen. Als er noch am Quai tätig war, hatte er häufig die Büros von Amorelle und Campois auf der Ile Saint-Louis gesehen. Sie waren Kiesgrubenbesitzer und Reeder in einem.
    »Ich habe nicht viel Zeit, das müssen Sie bitte verstehen. Vorhin habe ich die Gelegenheit genutzt, daß mein Schwiegersohn und meine Tochter zu Maliks gegangen sind, und François gebeten, den alten Renault anzuwerfen … Sie haben keine Ahnung … Wahrscheinlich kommen sie vor heute abend nicht zurück … Verstehen Sie?«
    »Nein …«
    Er begriff bestenfalls, daß die alte Frau heimlich,
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