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Maigret - 26 - Maigret regt sich auf

Maigret - 26 - Maigret regt sich auf

Titel: Maigret - 26 - Maigret regt sich auf
Autoren: Georges Simenon
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fünfzig Jahren hier endlich wiederbegegnet.
    »Du wirst doch nicht dieser verrückten Alten folgen?«
    Er hatte seine Holzschuhe vor der Tür stehenlassen. Mit nackten Füßen tappte er über die kalten Fliesen, dann die gebohnerten Eichenstufen der Treppe hinauf.
    »Bring dem Fahrer etwas zu trinken und komm herauf, um mir beim Kofferpacken zu helfen.«
    Ein heller Funke flackerte in seinen Augen, ein flüchtiger Glanz, den er erkannte, als er sich im Bad das Gesicht mit kaltem Wasser wusch und sich im Spiegel betrachtete.
    »Ich begreife dich nicht mehr!« seufzte seine Frau. »Eben konntest du wegen der paar Kartoffelkäfer keine Ruhe finden, und nun …«
     
    Der Zug. Maigret schwitzte. Er saß in seiner Ecke und rauchte.
    Das Gras an den Hängen war gelb, kleine blühende Bahnhöfe zogen vorüber, im Sonnenglast winkte ein Mann mit seinem roten Fähnchen und blies in seine Trillerpfeife, wie es Kinder tun.
    Maigrets Schläfen waren ergraut. Er war etwas ruhiger geworden, etwas behäbiger als früher, doch er erweckte nicht den Eindruck, gealtert zu sein, seit er der Kriminalpolizei nicht mehr angehörte.
    Eher aus Eitelkeit oder einer Art Scham hatte er seit zwei Jahren grundsätzlich alle Fälle abgelehnt, die ihm angetragen wurden.
    Vor allem von selten der Banken, Versicherungsgesellschaften und Juweliergeschäfte hätte man ihm die komplizierteren Fälle nur zu gern überlassen.
    Am Quai des Orfèvres würde man sicher sagen:
    »Der arme Maigret fängt wieder an, er hat bereits genug von seinem Garten und vom Angeln.«
    Und nun hatte er sich von einer alten Frau einwickeln lassen, die plötzlich in der kleinen grünen Pforte aufgetaucht war.
    Er sah sie noch vor sich: steif und würdevoll in ihrer alten Limousine, die mit gefährlichem Leichtsinn von dem jungen François in Gärtnerkleidung gesteuert wurde, der nicht einmal Zeit gefunden hatte, seine Pantinen gegen Straßenschuhe einzutauschen.
    Er hörte sie sagen, als sie Madame Maigret bei ihrer Abfahrt winken sah:
    »Das ist Ihre Frau, nicht wahr? Ich muß sie verärgert haben, als ich sie für eine Hausgehilfin hielt … Auch Sie habe ich ja für den Gärtner gehalten.«
    Und das Auto war zu seiner mehr als abenteuerlichen Fahrt gestartet, nachdem es ihn vor dem Bahnhof von Aubrais abgesetzt hatte, wo François den falschen Gang eingelegt hatte, so daß er beinahe rückwärts in eine Traube von Radfahrern hineingedonnert wäre.
    Es war Ferienzeit. Man begegnete den Parisern überall auf dem Land und in den Wäldern, sah schnelle Wagen auf den Straßen, Paddelboote auf den Flüssen und Angler mit Strohhüten am Fuß jeder Weide.
    Orsenne hatte keinen Bahnhof, es war eine Station, wo ein paar wenige Züge zu halten geruhten. Durch die Parkbäume erblickte man die Dächer einiger großer Villen und jenseits davon die an dieser Stelle breite und majestätische Seine.
    Maigret hätte schwerlich zu sagen gewußt, warum er den Befehlen Bernadette Amorelles nachgegeben hatte. Vielleicht wegen der Kartoffelkäfer?
    Plötzlich hatte er selbst das Gefühl, in Urlaub zu sein, genauso wie die Leute, an denen er sich im Zug vorbeigedrängt hatte, die er auf dem abschüssigen Pfad traf, die er überall erblickte, seit er Meung verlassen hatte.
    Eine andere Luft als in seinem Garten umfächelte ihn, beschwingt schritt er in dieser neuen Umgebung aus und kam am Fuß des Abhangs an die Seine, an der eine breite Durchgangsstraße entlangführte.
    Von der Bahnstation an deuteten Schilder mit Pfeilen auf die ›Auberge de l’Ange‹ hin. Er folgte diesen Hinweisen, gelangte zu einem Garten mit baufälligen Spalieren und stieß endlich die Fenstertür zu einer Veranda auf, in der man wegen des auf die Scheiben fallenden Sonnenlichts nahezu erstickte.
    »Ist hier jemand?« rief er.
    Nur eine Katze lag am Boden auf einem Kissen, in einer Ecke lehnten Angelruten.
    »Hallo!«
    Er stieg eine Stufe hinab und befand sich im Gastraum, wo der Messingperpendikel einer alten Standuhr träge hin- und herschaukelte und bei jedem Anschlag sein Ticken vernehmen ließ.
    »Kein Mensch ist in diesem Schuppen!« brummte er.
    Im gleichen Augenblick bewegte sich etwas ganz in seiner Nähe. Er zuckte zusammen und gewahrte im Halbdunkel ein in Decken gehülltes menschliches Wesen. Es war eine Frau, sicher diese Jeanne, von der Madame Amorelle gesprochen hatte. Ihre fettigen schwarzen Haare hingen zu beiden Seiten ihres Gesichts herab, und ihr Hals steckte in einem dicken weißen Umschlag.
    »Es
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