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Maigret - 26 - Maigret regt sich auf

Maigret - 26 - Maigret regt sich auf

Titel: Maigret - 26 - Maigret regt sich auf
Autoren: Georges Simenon
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ohne das Wissen der Familie, weggefahren war.
    »Ich schwöre Ihnen, wenn die wüßten, daß ich hier bin …«
    »Verzeihung, wo kommen Sie her?«
    »Aus Orsenne natürlich …«
    Wie eine Königin von Frankreich gesagt hätte:
    »Aus Versailles!«
    Wußte nicht alle Welt, mußte nicht jeder wissen, daß Bernadette Amorelle, aus dem Hause Amorelle und Campois, in Orsenne lebte, einem Weiler am Ufer der Seine zwischen Corbeil und dem Wald von Fontainebleau?
    »Sie brauchen mich nicht anzusehen, als ob Sie mich für verrückt hielten. Die werden wahrscheinlich versuchen, Sie davon zu überzeugen. Aber ich schwöre Ihnen, daß es nicht wahr ist.«
    »Verzeihen Sie, Madame, darf ich mir erlauben, Sie nach Ihrem Alter zu fragen?«
    »Ich erlaube es Ihnen, junger Mann. Am 7. September werde ich zweiundachtzig … Dabei sind alle meine Zähne echt, falls darauf Ihr Blick gerichtet ist … Und einige von ihnen werde ich wohl mit ins Grab nehmen. Besonders glücklich wäre ich allerdings, wenn ich meinen Schwiegersohn unter die Erde bringen könnte …«
    »Möchten Sie vielleicht etwas trinken?«
    »Ein Glas frisches Wasser, wenn Sie haben …«
    Er setzte es ihr selbst vor.
    »Um wieviel Uhr haben Sie Orsenne verlassen?«
    »Um halb zwölf … Gleich als sie fortgingen … Ich habe François Bescheid gesagt … François ist unser Hilfsgärtner, ein netter junger Bursche … Seiner Mutter habe ich bei der Niederkunft beigestanden … Niemand zu Hause ahnt, daß er Auto fahren kann … Eines Nachts, als ich schlaflos lag – ich muß Ihnen sagen, Herr Kommissar, daß ich nie schlafe –, habe ich entdeckt, daß er im Mondschein mit dem alten Renault geübt hat … Interessiert Sie das?«
    »Brennend …«
    »Ich will Ihre Geduld nicht strapazieren … Der alte Renault, der nicht einmal in der Garage steht, sondern im Stall, ist eine Limousine, die aus den Zeiten meines Mannes stammt … Da er vor zwanzig Jahren verstorben ist, können Sie sich ausrechnen … Nun schön, diesem Burschen ist es irgendwie gelungen, ihn in Gang zu bringen, und nachts hat er Spritztouren auf den Straßen gemacht …«
    »Hat er Sie hierhergefahren?«
    »Er wartet draußen auf mich …«
    »Sie haben nicht zu Mittag gegessen?«
    »Ich esse, wenn ich Zeit habe … Ich verabscheue Leute, die stets das Bedürfnis haben, zu essen …«
    Und unwillkürlich warf sie einen vorwurfsvollen Blick auf den runden Bauch des Kommissars.
    »Sehen Sie nur, wie Sie schwitzen. Doch das geht mich nichts an … Auch mein Mann hat immer seinen eigenen Kopf gehabt, und nun ist es schon lange her, daß er unter uns weilte … Zwei Jahre sind Sie jetzt pensioniert, nicht wahr?«
    »Fast zwei Jahre, ja.«
    »Folglich langweilen Sie sich … Also werden Sie akzeptieren, was ich Ihnen vorschlage … Um fünf Uhr geht ein Zug in Orléans ab, wo ich Sie auf dem Rückweg absetzen könnte. Natürlich wäre es einfacher, Sie bis nach Orsenne im Wagen mitzunehmen, aber das würde nicht unbemerkt bleiben, und dann wäre alles verpatzt.«
    »Verzeihen Sie, Madame, aber …«
    »Ich weiß genau, daß Sie Einwände erheben werden. Aber ich möchte unbedingt, daß Sie für ein paar Tage zu uns nach Orsenne kommen. Fünfzigtausend, wenn Sie Erfolg haben. Und wenn Sie nichts finden, zehntausend plus Spesen …«
    Sie öffnete ihre Handtasche und hantierte mit den bereitgehaltenen Geldscheinen.
    »Wir haben da einen Gasthof. Sie können sich nicht vertun, es gibt nur den einen. Er heißt ›L’Ange‹, der Engel. Dort sind Sie einigermaßen untergebracht, obwohl die arme Jeanne halbverrückt ist. Noch so eine, die ich von ihrer Kindheit an kenne. Vielleicht will die Sie nicht aufnehmen, aber Sie werden schon mit ihr zurechtkommen, da habe ich keine Angst. Sobald Sie mit ihr über Krankheiten sprechen, wird sie zufrieden sein. Sie ist überzeugt davon, alle zu haben.«
    Madame Maigret brachte ein Tablett mit Kaffee, und die alte Dame, die gegenüber dieser Aufmerksamkeit gleichgültig blieb, fuhr sie an:
    »Was soll das? Wer hat Ihnen aufgetragen, uns Kaffee zu bringen? Nehmen Sie das wieder mit …«
    Sie hielt sie für das Dienstmädchen, wie sie Maigret für den Gärtner gehalten hatte.
    »Ich könnte Ihnen eine Menge Geschichten erzählen, aber ich kenne Ihren Ruf und ich weiß, daß Sie intelligent genug sind, um selbst alles herauszukriegen. Lassen Sie sich nicht von meinem Schwiegersohn beeindrucken, das ist alles, was ich Ihnen empfehle. Er hat alle Welt eingewickelt. Er ist
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