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Maigret - 26 - Maigret regt sich auf

Maigret - 26 - Maigret regt sich auf

Titel: Maigret - 26 - Maigret regt sich auf
Autoren: Georges Simenon
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gesunder Menschenverstand!‹
    Und laut äußerte er:
    »Komm weiter … Ich wohne da vorn hinter der nächsten Biegung. Erinnerst du dich an meinen Bruder? Stimmt ja, du hast ihn auf dem Gymnasium nicht kennengelernt, er ist drei Jahre jünger als wir. Mein Bruder Charles hat eine der Töchter Amorelle fast zur gleichen Zeit geheiratet wie ich die andere … Er bewohnt im Sommer diese Villa, zusammen mit seiner Frau und unserer Schwiegermutter. Seine Tochter ist letzte Woche umgekommen …«
    Hundert Meter weiter entdeckten sie links eine schneeweiße Schiffsbrücke, luxuriös wie die Anlegestellen feiner Klubs an den Ufern der Seine.
    »Hier beginnt mein Reich … Ich habe ein paar Boote, man muß sich doch ein bißchen amüsieren können in diesem verlorenen Nest … Segelst du?«
    Welche Ironie in seinem Ton, als er den korpulenten Maigret fragte, ob er mit einem dieser zierlichen Boote, die man zwischen den Bojen sah, segeln könnte!
    »Hier entlang …«
    Ein Tor mit vergoldeten Pfeilen. Eine Allee, deren heller Kies glitzerte. Das Parkgelände fiel leicht ab, und bald sah man ein modernes Gebäude, das viel größer war als das Haus der Schwiegermutter. Links in der Sonne ein dunkelrot glühender Tennisplatz. Rechts ein Schwimmbad.
    Und Malik, immer ungezwungener, wie eine hübsche Frau, die nachlässig mit einem äußerst wertvollen Schmuckstück spielt, schien sagen zu wollen:
    ›Schau dich nur um, grober Klotz. Du bist hier bei Malik. Aber ja, bei dem kleinen Malik, den ihr verächtlich den Steuereinnehmer genannt habt, weil sein Vater seine Tage hinter einem Schalter in einem düsteren Büro verbracht hat.‹
    Große dänische Doggen kamen und leckten ihm die Hände, und er nahm diese demütigen Huldigungen entgegen, als bemerke er sie gar nicht.
    »Wenn du willst, nehmen wir den Aperitif auf der Terrasse, bis die Glocke zum Abendessen läutet … Meine Söhne dürften auf der Seine Boot fahren …«
    Hinter der Villa spritzte ein Chauffeur in Hemdsärmeln mit einem Wasserschlauch einen riesigen amerikanischen Wagen ab, dessen Chrom nur so blitzte.
    Sie stiegen die Stufen hinauf und setzten sich unter einem Sonnenschirm in breite Korbsessel. Ein Hausangestellter in weißem Jackett bemühte sich um sie, und Maigret bekam erst recht den Eindruck, sich eher im Palasthotel eines Kurorts zu befinden als in einem Privathaus.
    »Rosé? … Martini? … Manhattan? … Was möchtest du lieber, Jules? Wenn ich deiner Legende glauben soll, die ich wie jedermann aus den Zeitungen kenne, ziehst du ein großes Glas Bier vom Faß vor? … Leider habe ich hier noch keinen Tresen eingerichtet … Das kommt vielleicht später … Es wäre schon lustig … zwei Martini, Jean! Steck dir ruhig deine Pfeife an … Wovon sprachen wir? Ach ja … Mein Bruder und meine Schwägerin sind natürlich durch diese Geschichte wie vor den Kopf geschlagen … Sie hatten nur dieses eine Mädchen, verstehst du? Meine Schwägerin ist nie bei bester Gesundheit gewesen …«
    Hörte Maigret überhaupt zu? Wenn ja, war es ihm nicht bewußt. Dennoch gruben sich die ausgesprochenen Worte automatisch in sein Gedächtnis ein.
    In seinen Sessel gelehnt, die Augen halb geschlossen, die laue Pfeife zwischen den aufgeworfenen Lippen, betrachtete er verloren die Landschaft, die sehr schön war. Die Sonne sank allmählich und begann, sich rot zu färben. Von der Terrasse aus konnten sie die ganze Seine-Schleife überblicken, die vor ihnen von bewaldeten Hügeln gesäumt wurde, zwischen denen grellweiß der Einschnitt eines Steinbruchs verlief.
    Der Kammerdiener hatte zwei Kristallgläser vor sie hingestellt, die in der Wärme leicht beschlugen.
    »Heute morgen habe ich die beiden eingeladen, den Tag bei mir zu verbringen. Unnötig, meine Schwiegermutter einzuladen. Sie ist eine Frau, der die Familie ein Greuel ist und die manchmal wochenlang ihr Zimmer nicht verläßt …«
    Sein Lächeln verkündete:
    ›Das kannst du nicht begreifen, armer dicker Maigret. Du kennst dich nur bei den einfachen Leuten aus, die ihr kleines, banales Leben führen und sich nicht die geringste Originalität leisten können.‹
    Und tatsächlich fühlte Maigret sich in diesem Milieu nicht wohl. Schon die allzu harmonische Umgebung mit ihren ruhigen Linien stieß ihn ab. Er begann allmählich – und zwar nicht aus Neid, denn er war kein kleinlicher Mensch –, diesen so sauberen Tennisplatz, diesen wohlgenährten Chauffeur, den er beim Wienern des Luxusautos gesehen hatte, von
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