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Kjell. Das Geheimnis der schwarzen Seerosen

Kjell. Das Geheimnis der schwarzen Seerosen

Titel: Kjell. Das Geheimnis der schwarzen Seerosen
Autoren: Evelyn Boyd
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Prolog

    Zielsicher lief sie
den schmalen Waldweg entlang, wie unzählige Male zuvor. Doch
dieses Mal war es anders. Die Umgebung erschien ihr fremd und
bedrohlich. Unter ihren Füßen knackten die Zweige.
Irgendwo in der Ferne rief ein Uhu. Nervös sah sich das Mädchen
um. In der Dunkelheit war der schmale Trampelpfad zwischen den
Kiefern kaum zu erkennen. Es konnte nicht mehr weit sein, beruhigte
sie sich in Gedanken. Bald schon sah sie das dunkle Wasser des Sees
zwischen den hohen Baumstämmen hindurchschimmern. Sie
verlangsamte ihre Schritte und schlich sich vorsichtig näher.
Die Geräusche des Waldes nahm sie kaum noch wahr, denn ihre
ganze Aufmerksamkeit galt nun dem nächtlichen See. Zum Glück
reichte das dichte Unterholz bis fast an die Wasserkante heran und
gab ihr Deckung. Sie verharrte neben dem Stamm einer Kiefer nahe der
Uferböschung und hielt den Atem an. Über dem See stand der
Vollmond hoch am Himmel. Sein kaltes Licht glitzerte auf dem Wasser.
Nicht der geringste Windhauch kräuselte die Wasseroberfläche
und so wirkte der See wie ein dunkler Spiegel.
    In einiger
Entfernung gab es einen kleinen Naturstrand – nur wenige Meter
weißen Sandes zwischen umgestürzten Bäumen und
einigen Felsen. Die Augen des Mädchens weiteten sich und ihr
Atem ging schneller. Dort stand er regungslos und blickte auf den
nächtlichen See hinaus. Der Mond tauchte seine helle Haut und
sein Haar in einen silbernen Schein. Er schien das Mädchen nicht
zu bemerken. Dann löste er sich plötzlich aus seiner
Starre. Er lief ins Wasser und hechtete kopfüber in den See. Mit
einigen schnellen Zügen kraulte der Junge vom Ufer weg und
tauchte unter.
    Es schien eine halbe
Ewigkeit zu vergehen, während sie darauf wartete, dass er wieder
auftauchte. Plötzlich berührte sie etwas an der Wange.
Beinahe hätte sie laut aufgeschrien, doch es waren nur die Fäden
eines Spinnennetzes, die sie mit einer schnellen Bewegung aus dem
Gesicht wischte.
    ›Wo blieb er
nur?‹, fragte sie sich im Stillen. Allmählich wurde sie
unruhig und suchte mit den Augen die Oberfläche des Sees ab. In
diesem Moment tauchte der Junge wieder auf, schwamm zurück zum
Ufer und glitt fast lautlos an Land. Er schüttelte sich das
Wasser aus den Haaren, die jetzt viel dunkler wirkten. Dann schaute
er unvermittelt in ihre Richtung. Er konnte sie nicht bemerkt haben
und doch war sein Blick so intensiv, dass sie ihn fast körperlich
spürte. Ihr wurde kalt und sie begann zu zittern. Von Panik
erfasst, drehte sich das blonde Mädchen um und rannte los.
    Der Junge blickte
immer noch in die Dunkelheit zwischen den Bäumen. Plötzlich
lächelte er …
    »Hab dich –
Marietta!«

1.
Kapitel
Wenn Engel reisen und die Zeit
stillsteht

    Ein ruhiges Bollern
drang von den kräftigen Schiffsmotoren herüber. Der Boden
vibrierte leicht unter meinen Füßen. Die Schwingungen
setzten sich durch meine Beine fort bis hinauf in meinen Magen, wo
sie mit einem angenehmen Kribbeln endeten. Dieses Kribbeln löste
eine freudige Erwartung in mir aus. So war es immer gewesen.
Allerdings war ich dieses Mal nicht sicher, was ich vorfinden würde.
Ich fuhr das erste Mal allein nach Schweden.
    Der Wind wehte mir
unablässig Haarsträhnen ins Gesicht. Doch das störte
mich nicht. Nach der langen Autofahrt genoss ich den frischen Seewind
auf meiner Haut. Auch wenn die Sonne sich meist hinter den Wolken
versteckte und der Wind um diese Jahreszeit schon kühler wurde,
war mir nicht kalt. Ich fühlte mich wieder wie das kleine
Mädchen, das damals an der Reling gestanden hatte. Ich reckte
mich weiter vor, um die kleinen weißen Schaumkronen, die die
Fähre umspielten, zu sehen. Die Wellen der Ostsee und das
Motorengeräusch des Schiffes vermischten sich zu einer
vertrauten Melodie. Ich atmete tief ein und spürte noch einmal
dieses Gefühl, wie in den Sommern meiner Kindheit, wenn ich mit
meiner Familie auf dem Weg nach Schweden war. Ein Gefühl von
Geborgenheit. Aber vielleicht war es auch einfach nur das Bollern der
Schiffsmotoren. Ich öffnete langsam die Augen und blickte ein
letztes Mal auf das Meer hinaus, bevor ich mich umdrehte, um die
Cafeteria der Fähre aufzusuchen.
    Das
Schiffscafé der Aurora
af Helsingborg
war nur spärlich gefüllt. Es war bereits September und
donnerstags fuhren nur wenige Passagiere mit der Fähre. Die
meisten Sommerurlauber befanden sich schon lange auf dem Heimweg.
Über den leeren Tischen lag eine unwirkliche Stimmung. Bald
würde es sogar noch einsamer
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