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Maigret - 18 - Maigret in Nöten

Maigret - 18 - Maigret in Nöten

Titel: Maigret - 18 - Maigret in Nöten
Autoren: Georges Simenon
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aber all das war nicht von Belang, war wie nicht vorhanden für die beiden Männer, die sich nun endlich begegneten.
    »Du kannst zu deiner Frau gehen, wahrscheinlich weint sie jetzt in ihrem Zimmer.«
    »Meinst du? Ich denke, sie ist einfach wegen ihres Zustands so nervös.«
    »Zieh endlich Leine!«, prustete Ducrau heraus, und der andere verschwand, eine Entschuldigung stammelnd. »Und was suchst eigentlich du hier noch mit deiner blöden Glocke?«
    »Rosalie hat den Likör vergessen.«
    »Das lass nur meine Sorge sein. Wenn wir Lust auf Likör haben, werden wir ihn schon selber auftreiben. Stimmt’s, Maigret?«
    Er hatte nicht Kommissar gesagt. Er hatte Maigret gesagt. Er war aufgestanden, wischte sich mit der Serviette die Mundwinkel ab und streckte die Brust heraus, dann ließ er den Blick um sich schweifen. Er sog die Luft in vollen Zügen ein, und auch er schnurrte vor Behagen.
    »Was sagen Sie dazu?«
    »Wozu?«
    »Zu dem Ganzen! All dem hier! Schön, was? Sehen Sie dort, sogar der Schleusenwärter isst mit seiner Frau draußen im Freien! Als ich noch Schiffer war, ganz am Anfang, haben Gassin und ich auch immer draußen auf der Uferböschung gepicknickt, und da die Pferde zwei Stunden ruhen müssen, haben wir uns nachher ins Gras gelegt, ein Nickerchen gehalten und uns die Heuschrecken über die Köpfe hüpfen lassen …«
    Man hätte meinen können, seine Pupillen seien auswechselbar. Da war zunächst der etwas verschwommene Blick, der vergnügt über die Umgebung schweifte, und mitten daraus hervor trat ein spitzerer, genauerer, bösartiger Blick, der mit dem andern nichts zu tun hatte.
    »Machen wir einen kleinen Verdauungsspaziergang?«
    Er ging zum Tor und öffnete es. Aber bevor er den Leinpfad betrat, ließ er seine Hand in die hintere Tasche gleiten, zog ostentativ seinen Browning hervor und überprüfte das Magazin.
    Es war theatralisch, kindisch, aber dennoch beeindruckend. Maigret zuckte nicht mit der Wimper, gab sich sogar den Anschein, nichts bemerkt zu haben. Aus dem Zimmer oben hörte man Stimmen; eine davon tobte.
    »Was habe ich Ihnen gesagt? Sie streiten sich.«
    Den Revolver in der Tasche, ging er gemächlich, mit gewölbter Brust wie ein Sonntagsspaziergänger, neben Maigret her. Vor der Schleuse blieb er eine Weile stehen, sah zu, wie das Wasser durch die tausend Ritzen des Schleusentors sickerte, betrachtete dann die Familie, die vor der Schwelle bei Tisch saß.
    »Den wievielten haben wir heute?«
    »Den 13. April.«
    Er blickte Maigret argwöhnisch an.
    »Den 13.? Aha.«
    Und sie setzten sich wieder in Bewegung.

9
    Es war die Tageszeit, während der alle Farben intensiver werden, aber nicht mehr flirren; alles zieht sich in Erwartung der Dämmerung in sich selbst zurück. Vor ihnen stand die Sonne rot über den waldigen Hügeln. Das Glitzern des Wassers wurde weitflächiger, prachtvoll, aber es lag doch auch bereits etwas Kaltes, etwas Erloschenes darin.
    Gleich hinter der Schleuse sah eine Gruppe Spaziergänger einem jungen Mann zu, der versuchte, ein Motorboot anzulassen. Man hörte, wie der Motor ein paar Umdrehungen machte, Luft ansaugte, stotterte, dann erneut das ungeduldige Drehen der Kurbel.
    Plötzlich blieb Ducrau wieder stehen, die Hände auf dem Rücken verschränkt, und sah die Häuserzeile entlang dem Ufer an. Maigret war nichts Ungewöhnliches aufgefallen.
    »Sehen Sie dort, Kommissar.«
    Eine Reihe Restaurants, darunter auch einige ziemlich luxuriöse Hotels, davor eine Menge Autos am Straßenrand geparkt. Zwischen zwei der Restaurants befand sich indessen auch ein kleineres Lokal zur Verpflegung von Fernfahrern, vor dem man, weil heute Sonntag war, mit vier Tischen eine Art Terrasse eingerichtet hatte.
    Maigret versuchte zu erkennen, was es denn da zu sehen gebe. Die Schatten der Passanten waren länglich, riesenhaft. Manche Frauen trugen Strohhüte und die meisten leichte Sommerkleider. Endlich blieb Maigrets Blick an einer vertrauten Gestalt hängen; es war Inspektor Lucas, der auf der kleinen Terrasse vor einem Bier saß. Lucas hatte den Kommissar ebenfalls entdeckt und lächelte ihm über die Fahrbahn hinweg zu. Er schien wunschlos glücklich, an einem so schönen Sonntag hier sitzen zu dürfen, neben einem Lorbeerbaum in seiner Blumenkiste, unter dem rotgelb gestreiften Sonnendach, das ihm Schatten spendete.
    Rechter Hand, hinten auf der Terrasse, hatte der Kommissar bereits den alten Gassin bemerkt, der eifrig, die Ellbogen auf dem zu kleinen Tisch, einen
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