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Maigret 17

Maigret 17

Titel: Maigret 17
Autoren: Simenon
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wehleidigen Stimme, als wollte sie bemitleidet werden.
    »Ich werde noch krank! Ja! Ich spüre es. Wie vor drei Jahren, als sich gegenüber die Matrosen geprügelt haben. Einer ist mit dem Rasiermesser …«
    Sie war aufgestanden. Sie blickte um sich und suchte etwas, dann vergaß sie wieder, was sie gesucht hatte.
    »Haben Sie schon gegessen? Kommen Sie. Wir essen was zusammen.«
    Maigret ging vor ihr die Treppe hinunter. Sie wandte sich zum Herd, legte Kohle nach, rührte mit einem Kochlöffel in einem Topf.
    »Wenn ich allein bin, hab ich keine Lust zu kochen. Und wenn ich auch noch daran denke, daß Sylvie jetzt …«
    »Sagen Sie, Jaja!«
    »Was?«
    »Was hat Ihnen Sylvie heute nachmittag gesagt, während ich draußen den Gast an der Bar bedient habe?«
    »Ach so! Ich hab sie gefragt, was das für zwanzigtausend Francs sind. Und sie hat gesagt, daß sie’s nicht weiß, daß Joseph sie ihr untergeschoben hat.«
    »Und heute abend?«
    »Was, heute abend?«
    »Als Sie sie bei der Polizei besucht haben.«
    »Dasselbe. Sie kann sich nicht vorstellen, was Joseph für faule Geschäfte gemacht hat.«
    »Ist sie schon lange mit Joseph zusammen?«
    »Sie ist mit ihm zusammen und auch wieder nicht. Sie leben nicht zusammen. Sie hat ihn irgendwo aufgegabelt, wahrscheinlich beim Rennen. Jedenfalls nicht hier. Er hat ihr erzählt, daß er ihr helfen kann, daß er ihr Kunden anbringen kann. Klar, bei seinem Beruf. Er ist ein Junge mit Bildung und Erziehung, trotzdem hab ich ihn nie gemocht.«
    In dem Topf war ein Rest Linsen, die Jaja nun auf einen Teller leerte.
    »Möchten Sie was davon? Nein? Nehmen Sie sich was zu trinken. Ich hab auf gar nichts mehr Lust. Ist die Eingangstür zugesperrt?«
    Maigret saß wie nachmittags rittlings auf einem Stuhl, sah ihr beim Essen zu und ließ sie reden.
    »Wissen Sie, diese Leute, vor allem die aus den Casinos, haben zu komplizierte Tricks für uns. Und immer ist es die Frau, die dann geschnappt wird. Wenn Sylvie auf mich gehört hätte …«
    »Mit welcher Mission hat Joseph Sie heute abend beauftragt?«
    Sie stutzte einen Augenblick, als würde sie nicht verstehen, und sah Maigret mit vollem Mund an.
    »Ach so! Das mit dem Sohn …«
    »Was haben Sie ihm ausrichten sollen?«
    »Daß er was unternehmen soll, damit sie rauskommen, sonst …«
    »Sonst?«
    »Ich weiß ja, daß Sie mir keine Ruhe lassen werden. Aber Sie müssen zugeben, daß ich immer freundlich zu Ihnen war. Ich tue, was ich kann. Und ich habe nichts zu verbergen.«
    Er erriet den Grund für ihre Gesprächigkeit und ihre weinerliche Stimme.
    Unterwegs hatte Jaja in einigen Bistros Station gemacht, um sich Mut zu verschaffen.
    »Am Anfang habe ich immer versucht, auf Sylvie einzureden, sie davon abzuhalten, daß sie sich mit Haut und Haar auf Joseph einließ. Dann, vorhin, wurde mir klar, daß …«
    »Ja?«
    Es wirkte eher komisch als tragisch. Mitten beim Essen fing sie an zu weinen! Es war eine groteske Szene, wie die dicke Frau in ihrem malvenfarbenen Morgenrock vor ihrem Teller mit Linsen saß und schluchzte wie ein kleines Mädchen.
    »Drängeln Sie mich doch nicht so, lassen Sie mich nachdenken … Wenn Sie glauben, daß ich mich in all dem zurechtfinde … Ach bitte, geben Sie mir die Flasche.«
    »Nachher.«
    »Geben Sie mir die Flasche, und ich werde alles sagen.«
    Er gab nach und schenkte ihr einen Schluck ein.
    »Was wollen Sie wissen? Was hab ich gerade gesagt? Ich hab die zwanzigtausend Francs gesehen – hat William sie vielleicht bei sich gehabt?«
    Maigret mußte sich Mühe geben, daß er den Überblick behielt, denn nach und nach drohten ihm die Dinge zu entgleiten, vielleicht wegen der Atmosphäre in diesem Raum, eher aber wegen Jajas unaufhaltsamem Redefluß.
    »William …«
    Plötzlich begriff er. Jaja glaubte, daß die zwanzigtausend Francs Brown gestohlen worden waren, als er ermordet wurde.
    »Haben Sie daran gerade gedacht?«
    »Ich weiß nicht mehr, was ich gedacht habe. Sehen Sie, jetzt hab ich keinen Hunger mehr. Haben Sie eine Zigarette?«
    »Ich rauche nur Pfeife.«
    »Irgendwo müssen doch noch welche rumliegen. Sylvie hatte immer welche.«
    Sie suchte vergeblich in allen Schubladen.
    »Bringt man sie noch immer ins Elsaß?«
    »Wen? Was? Wovon sprechen Sie?«
    »Die Frauen. Wie heißt es gleich wieder? Das Gefängnis … Es fängt mit Hau … an. Zu meiner Zeit jedenfalls …«
    »Als Sie noch in Paris waren?«
    »Ja. Es wurde ständig davon gesprochen. Anscheinend ist es da derart
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