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Maigret 17

Maigret 17

Titel: Maigret 17
Autoren: Simenon
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Es geht mir nicht um das Geld. Es geht um den Skandal. Wenn die vier Frauen dort unten auftauchen und …«
    »Ich verstehe.«
    Durch das Fenster sah man auf den Strand von Juan-les-Pins. Im Sand lagen Leute im Badeanzug, drei junge Frauen machten mit einem langen hageren Lehrer Gymnastik, und ein Algerier ging mit einem Korb Erdnüsse von einer Gruppe zur anderen.
    »Meinen Sie, daß hunderttausend …«
    »Ja, durchaus!« sagte Maigret und erhob sich.
    »Sie haben Ihr Glas nicht getrunken.«
    »Danke.«
    Harry Brown, tadellos gekleidet und pomadisiert wie immer, zögerte einen Augenblick, dann sagte er vorsichtig:
    »Wissen Sie, Herr Kommissar, ich dachte einen Augenblick, daß Sie ein Gegner sind … In Frankreich …«
    »Ja.«
    Maigret ging zur Tür. Brown folgte ihm und fuhr etwas unsicher fort:
    »Ein Skandal hat hier nicht dieselbe Bedeutung wie …«
    »Guten Abend, Monsieur.«
    Maigret verbeugte sich, ohne ihm die Hand zu geben, und verließ das Hotelappartement, in dem die umfangreichen Wollgeschäfte betrieben wurden.
    »In Frankreich, in Frankreich …«, brummte der Kommissar vor sich hin, als er die Treppe mit dem purpurroten Läufer hinunterging.
    Na, was denn: in Frankreich? Wie sollte man denn die Beziehung von Harry Brown zu der Witwe oder Geschiedenen am Cap Ferrat nennen?
    Es war eine Liebesgeschichte, oder?
    Also … Und die Geschichte von William mit Jaja und mit Sylvie?

    Maigret mußte am Strand entlang um lauter halbnackte Körper herumgehen. Die bronzefarbenen Leiber wurden noch betont durch grellbunte Badeanzüge.
    Boutigues erwartete ihn bei der Kabine des Gymnastiklehrers.
    »Nun?«
    »Es ist zu Ende. William Brown wurde von einem Unbekannten getötet, der ihm die Brieftasche stehlen wollte.«
    »Aber …«
    »Aber was? Möglichst ohne Aufsehen. Also.«
    »Dennoch …«
    »… ohne Aufsehen«, wiederholte Maigret und blickte auf das flache blaue Meer, auf dem Paddelboote schaukelten. »Ist hier der Ort für aufsehenerregende Fälle?«
    »Sehen Sie die junge Frau im grünen Badeanzug?«
    »Sie hat ziemlich schmale Hüften.«
    »Sehen Sie!« rief Boutigues triumphierend. »Sie würden nie darauf kommen, wer sie ist. Es ist die Tochter von Morrow.«
    »Morrow?«
    »Der Mann mit den Diamanten. Es ist eins der zehn oder zwölf Vermögen, die …«
    Die Sonne brannte heiß, und Maigret bildete in seinem dunklen Anzug einen auffallenden Fleck zwischen all der nackten Haut. Von der Casinoterrasse tönte Musik herüber.
    »Trinken Sie was?«
    Boutigues war in Hellgrau und trug eine rote Nelke im Knopfloch zur Schau.
    »Ich sagte Ihnen schon, daß hier …«
    »Ja … hier …«
    »Gefällt es Ihnen hier nicht?«
    Mit ausladender Geste zeigte er über die unerhört blaue Bucht, das Cap d’Antibes mit seinen ins Grün gebauten weißen Villen, das Casino, dessen hellgelber Anstrich an Windbeutel mit Sahne erinnerte, die palmengesäumte Promenade.
    »Der Dicke mit der kurzen gestreiften Badehose, den Sie dort sehen, ist der bedeutendste deutsche Zeitungsverleger …«
    Maigret, dessen Augen nach der schlaflos verbrachten Nacht glasig schimmerten, grunzte:
    »Ja, und?«

    »Freust du dich, daß ich Kabeljau à la crème gemacht habe?«
    »Du glaubst gar nicht, wie!«
    Boulevard Richard-Lenoir, in Maigrets Wohnung. Vor dem Fenster standen kümmerliche Kastanienbäume, die erst wenige kleine Blätter schmückten.
    »Was war es für eine Geschichte?«
    »Eine Liebesgeschichte – aber da meine Anweisung lautete: möglichst kein Aufsehen …«
    Er hatte beide Ellbogen auf dem Tisch, aß mit großem Appetit seinen Kabeljau und sprach mit vollem Mund.
    »Ein Australier, der von Australien und von Schafen genug hatte.«
    »Versteh ich nicht.«
    »Ein Australier, der Lust hatte, auf den Putz zu hauen, und der das dann auch getan hat.«
    »Und weiter?«
    »Weiter? Nichts weiter! Er hat’s eben getan, und seine Frau, seine Kinder und sein Schwager haben ihm daraufhin den Geldhahn zugedreht.«
    »Das klingt aber nicht sehr interessant!«
    »Ist es auch nicht. Das sagte ich ja. Er ist dann weiter an der Côte d’Azur geblieben …«
    »Es muß da ja sehr schön sein.«
    »Unglaublich schön. Er hat eine Villa gemietet, und dann hat er, weil er so allein war, sich eine Frau zugelegt.«
    »Langsam verstehe ich.«
    »Überhaupt nicht. Gib mir mal die Sauce rüber … Es sind zuwenig Zwiebeln dran.«
    »Es sind halt die Zwiebeln, die man in Paris kriegt. Sie schmecken nach nichts. Ich hab ein ganzes Pfund
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