Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Maigret 17

Maigret 17

Titel: Maigret 17
Autoren: Simenon
Vom Netzwerk:
dessen anderem Ende sich ein Bügeleisen befand. Er riß es heraus. Währenddessen floß das Blut.
    Er kehrte zu Jaja zurück, die sich nicht mehr bewegte, band ihr die Schnur um den Unterarm und zog sie mit aller Kraft fest.
    Die Gasse war nur noch von der Gaslaterne beleuchtet, die Bar gegenüber hatte geschlossen.
    Er lief mit schwankenden Schritten durch die laue Nacht auf die hell erleuchtete Straße zu, die sich zweihundert Meter weiter abzeichnete.
    Von dort aus konnte man die beleuchteten Aufgänge zu den Casinos sehen, die Autos, die Chauffeure, die am Hafen in Grüppchen beisammenstanden. Und die Masten der Yachten, die sich fast gar nicht bewegten.
    Ein Verkehrspolizist stand stramm mitten auf der Kreuzung.
    »Einen Arzt. Zur Liberty Bar. Schnell!«
    »Ist das die kleine Kneipe, die …«
    »Jawohl! Die kleine Kneipe, die!« schrie Maigret aufgeregt. »Machen Sie doch schnell, Mann Gottes!«

10
    Das Sofa
    D
    ie beiden Männer stiegen vorsichtig die Treppe hinauf, aber die Frau war schwer, und es war eng, so daß Jaja, unter Schultern und Beinen getragen und in der Mitte abgeknickt, bald am Geländer, bald an der Mauer anstieß und bald die Stufen streifte.
    Der Arzt, der wartete, bis er ebenfalls hinaufsteigen konnte, blickte neugierig um sich. Jaja stöhnte leise wie ein bewußtloses Tier. Es war ein so schwaches, seltsam moduliertes Stöhnen, daß man, obwohl es durch die ganze Wohnung drang, nicht hätte sagen können, woher es kam, wie bei einem Bauchredner.
    Maigret bereitete in dem niedrigen Zimmer im Zwischenstock das Bett vor und half dann den Beamten, die schwere und reglose Jaja anzuheben, die aussah wie eine dicke riesengroße Puppe.
    Bekam sie mit, was geschah? Wußte sie überhaupt, wo sie war? Von Zeit zu Zeit öffnete sie die Augen, aber sie sah nichts und niemanden an. Sie stöhnte immer noch, ohne daß sich ihr Gesicht verzog.
    »Leidet sie sehr?« fragte Maigret den Arzt.
    Er war ein freundlicher, gewissenhafter, kleiner alter Mann, etwas verstört über die Umgebung, in der er sich unvermutet befand.
    »Sie leidet vermutlich überhaupt nicht. Ich nehme an, daß sie besonders empfindlich ist. Oder es ist vielleicht auch die Angst.«
    »Weiß sie, was um sie herum vorgeht?«
    »Wenn man sie so ansieht, würde man sagen, nein. Aber …«
    »Sie ist volltrunken«, erklärte Maigret. »Ich dachte nur, vielleicht hat sie der Schmerz ernüchtert.«
    Die beiden Beamten warteten auf weitere Anweisungen und sahen sich ebenfalls neugierig um. Die Vorhänge waren offen, und Maigret bemerkte hinter dem Fenster gegenüber den hellen Schimmer eines Gesichts in einem dunklen Zimmer. Er ließ die Gardinen herunter und zog einen der Beamten mit sich in eine Ecke.
    »Holen Sie die Frau her, die ich heute habe einsperren lassen. Sie heißt Sylvie. Aber nur sie, nicht den Mann!«
    Zu dem anderen Beamten sagte er:
    »Warten Sie unten auf mich.«
    Der Arzt hatte das Seine getan. Er hatte Gefäßklemmen angebracht und die Arterie zurechtgelegt. Nun sah er unangenehm berührt auf die dicke Frau, die immer noch wimmerte, und fühlte ihr pflichtgemäß den Puls, tastete ihr Stirn und Hände ab.
    »Kommen Sie bitte, Doktor«, rief Maigret, der in einer Ecke stand.
    Ganz leise sagte er:
    »Ich möchte, daß Sie sie, solange sie noch unbeweglich im Bett liegt, genauer untersuchen. Die lebenswichtigen Organe hauptsächlich.«
    »Wenn Sie wollen. Wenn Sie wollen.«
    Der kleine Doktor war zunehmend befremdet. Er fragte sich sicher, ob Maigret ein Verwandter sei. Er holte seine Geräte aus der Arzttasche und maß ohne Eile und gänzlich unbeteiligt den Blutdruck.
    Dann machte er ein besorgtes Gesicht, wiederholte die Messung, beugte sich zur Brust hinunter, öffnete den Morgenmantel und suchte ein sauberes Tuch, um es zwischen sein Ohr und Jajas Brust zu legen. Da er im Zimmer keines fand, nahm er sein Taschentuch. Als er sich schließlich wieder aufrichtete, sah er finster drein.
    »So ist es.«
    »Was ist so?«
    »Sie wird nicht mehr lange leben. Das Herz ist am Ende. Außerdem ist es erweitert, und der Blutdruck ist gefährlich hoch.«
    »Das heißt, sie hat noch …«
    »Das ist eine andere Frage. Wenn sie eine meiner Patientinnen wäre, würde ich ihr absolute Ruhe verordnen, auf dem Land, mit strengster Diät …«
    »Und natürlich Alkoholverbot!«
    »Vor allem das! Nur gesündeste Lebensweise!«
    »Dann könnte sie gerettet werden?«
    »Das will ich nicht behaupten. Man könnte ihr Leben allenfalls, sagen wir
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher