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Maigret 17

Maigret 17

Titel: Maigret 17
Autoren: Simenon
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wollte, daß sie sich ärgerten. Und sie sollten sich auch nach seinem Tod noch ärgern. Dafür sorgte er mit seinem Testament.
    Ob er damit im Recht war oder nicht, kümmerte Maigret wenig. Aber er verglich den Vater mit dem Sohn, mit Harry Brown, der ein korrekter und selbstbeherrschter Mann war und die Dinge im Griff hatte.
    Harry mochte keine Unordnung. Obwohl auch Harry zwielichtige Bedürfnisse hatte. Er hielt sich eine Geliebte am Cap Ferrat. Eine ideale Geliebte, mit Lebenserfahrung, verwitwet oder geschieden, ohne Ansprüche.
    Nicht einmal in dem Hotel, in dem er wohnte, durfte man wissen, daß er anderswo schlief.
    Ordnung – Unordnung … Ordnung – Unordnung …
    Maigret war der Schiedsrichter. Er hatte das heikle Testament in der Tasche.
    Er konnte sofort vier Frauen auf den Kampfplatz jagen.
    Die Ankunft der vier Frauen von William Brown »dort unten« würde ein unvergleichliches Schauspiel sein! Jaja mit ihren empfindlichen Füßen, den geschwollenen Knöcheln und den Hängebrüsten, Sylvie, die nur einen Morgenrock auf dem mageren Körper hatte, wenn sie zu Hause war.
    Die Mutter Martini mit ihren vielen Schichten Schminke auf den Wangen und die Tochter mit dem Moschusduft, der von ihr nicht wegzudenken war.
    Sie fuhren den bewußten Boulevard entlang. Die Lichter von Cannes kamen in Sicht.
    Möglichst ohne Aufsehen …
    Das Taxi hielt gegenüber der Botschaft, und der Chauffeur erkundigte sich:
    »Wohin soll ich Sie fahren?«
    »Nirgendwohin. Ist schon gut so.«
    Maigret zahlte. Das Casino war angestrahlt, große Autos fuhren vor. Es war neun Uhr abends.
    In einem Dutzend Casinos zwischen Cannes und Menton gingen ebenfalls die Lichter an, und eine Menge Luxuslimousinen waren unterwegs.
    Maigret ging zu Fuß in die kleine Straße. Die Liberty Bar war geschlossen. Es brannte auch kein Licht. Nur der Schein einer Straßenlaterne warf durch die Scheibe ein mattes Licht auf die Theke und die Chromteile des Spielautomaten.
    Er klopfte und erschrak beinahe, wie laut das Klopfen in der kleinen Straße widerhallte. Gleich danach ging hinter ihm eine Tür auf, die von der Bar gegenüber. Der Kellner rief ihn an.
    »Wollen Sie zu Jaja?«
    »Ja.«
    »Und wer sind Sie?«
    »Der Kommissar.«
    »Dann soll ich Ihnen was ausrichten. Jaja kommt gleich wieder. Ich soll Ihnen sagen, daß Sie auf sie warten sollen. Wenn Sie inzwischen hier hereinkommen wollen …«
    »Nein, danke.«
    Er vertrat sich lieber die Füße. Die Gäste in der Bar sahen nicht gerade einnehmend aus. Irgendwo ging ein Fenster auf. Eine Frau, die den Lärm gehört hatte, fragte vorsichtig:
    »Bist du es, Jean?«
    »Nein.«
    Maigret ging die Straße auf und ab und dachte nur immer wieder:
    ›Vor allem muß ich herausfinden, wer William getötet hat!‹
    Zehn Uhr. Jaja kam nicht. Jedesmal, wenn er Schritte hörte, fuhr er zusammen und hoffte, daß die Warterei ein Ende hätte. Aber es war nicht Jaja.
    Fünfzig Meter schlecht gepflasterte Straße, kaum zwei Meter breit, das beleuchtete Fenster einer Bar. Und die andere Bar stand stumm im Dunkeln.
    Alte windschiefe Häuser, an denen nicht einmal mehr die Fensterstöcke gerade waren.
    Maigret ging in die Bar gegenüber.
    »Hat sie Ihnen gesagt, wo sie hinging?«
    »Nein. Möchten Sie was trinken?«
    Die Gäste, die inzwischen wußten, wer er war, musterten ihn von Kopf bis Fuß.
    »Nein, danke.«
    Er lief wieder auf und ab, immer bis zur Straßenecke, die die Grenze bildete zwischen der Welt der Verachteten und der Welt der hell erleuchteten Quais, auf denen das normale Leben wogte.
    Halb elf, elf Uhr … Das nächste Café an der Ecke hieß ›Harry’s Bar‹. Hier hatte Maigret am Nachmittag telefoniert, als er Sylvie im Schlepptau gehabt hatte. Er trat ein und ging in die Telefonzelle.
    »Geben Sie mir den Bereitschaftsdienst. Hallo, Polizei? Hier Maigret. Haben die beiden Vögel, die ich Ihnen vorhin gebracht habe, Besuch gekriegt?«
    »Ja. Eine dicke Frau war da.«
    »Wen hat sie besucht?«
    »Zuerst die Frau, dann den Mann. Wir wußten nicht … Sie hatten uns keine Anweisungen gegeben.«
    »Wann war das?«
    »Vor gut anderthalb Stunden. Sie hat Zigaretten und Kuchen mitgebracht.«
    Maigret legte ungehalten den Hörer wieder auf und rief das Hotel Provençal an.
    »Hallo, hier Polizei. Ja, der Kommissar, der vorhin da war. Können Sie mir bitte sagen, ob Monsieur Harry Brown Besuch gehabt hat?«
    »Ja, vor einer Viertelstunde. Eine Frau. Sie war ziemlich schäbig gekleidet.«
    »Wo war er
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