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Magnolia Steel – Hexennebel

Magnolia Steel – Hexennebel

Titel: Magnolia Steel – Hexennebel
Autoren: Sabine Städing
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Magnolia ins Gesicht. Der Lärm, den der Orkan und das Wasser erzeugten, war ohrenbetäubend. Magnolia hatte nur eine ungefähre Vorstellung davon, was sie zu tun hatte. Trotzdem schob sie den alten Pantoffel unter ihre Jacke und stieg mit ihrem Besen in die Luft.
    »Du musst sie stoppen, bevor sie die Hallig erreicht. Viel Glück!«
    Der Sturm griff mit klammen Fingern nach ihr, riss an ihren Kleidern und Haaren. Magnolia bezweifelte ernsthaft, dass etwas Glück ausreichen würde, dieses Abenteuer unbeschadet zu überstehen. Tapfer stieg Huckebein höher und höher, und Magnolia wurde ganz flau im Magen. Sie hatte entsetzliche Angst, von den Böen gepackt und auf das Wasser gedrückt zu werden.
    Doch zu ihrem Erstaunen geschah nichts dergleichen. Der Sturm versuchte zwar, sie vom Besen zu stoßen und wie ein Blatt durch die Luft zu wirbeln. Doch so sehr er sich auch bemühte, er konnte ihr nichts anhaben. Überrascht stellte Magnolia fest, wie aus dem wütenden Zerren plötzlich ein sanftes Streicheln wurde, aus dem Tosen ein Säuseln und aus der beklemmenden Angst die Sehnsucht nach grenzenloser Freiheit. Die Erkenntnis traf Magnolia mit einer solchen Wucht, dass ihr die Tränen in die Augen schossen und sie vor lauter Begeisterung nach Luft schnappte. Die Hexen hatten also recht gehabt. Sie war tatsächlich eine Windsbraut! Eine Sturmreiterin! Alles in ihr jubelte, doch dann riss sie sich zusammen. Jetzt war nicht die Zeit, den Augenblick zu genießen.
    »Leg los, Huckebein«, flüsterte Magnolia ihrem Besen zu. Und Huckebein legte los. Er ließ sich fallen wie ein Stein und bremste erst ab, als sie beinahe das Wasser berührten. Über die schäumenden Wellen jagte er dem gelben Wirbel entgegen. Je näher sie kamen, desto lauter wurde es um sie herum. Jetzt fing es auch noch an, Fische zu regnen. Der Wirbelsturm hatte sie mit seinem schlauchartigen Rüssel aus der Nordsee gesogen und ließ sie nun wieder fallen.
    »Steig höher, Huck, damit ich den Schuh in den Tornado werfenkann!«, rief Magnolia ihrem Besen zu. Huckebein gehorchte. Er löste sich von den Wellen und geriet dabei mehr und mehr in die Reichweite der Sturmausläufer, die ungebremst über das Wasser fegten. Der ungeheure Sog hätte Magnolia beinah vom Besen gerissen, und auch Huckebein war überrascht. Sofort legte er den Rückwärtsgang ein, trotzdem bewegten sie sich keinen Zentimeter zurück. Die beiden wurden wie von einem gigantischen Staubsaugerrohr angesogen. Magnolia brach der Schweiß aus: Huckebein konnte dieses Kräftemessen nicht gewinnen. Sie hätte nie geglaubt, dass ihr Schicksal einmal von einem ausgelatschten Pantoffel abhängen würde, aber ihr blieb keine andere Wahl.
    Als sie direkt unter dem Wirbel waren, holte Magnolia aus und warf. Der Schuh wurde direkt in das Auge des Tornados gezogen. Es folgte ein Schrei, ein Knall, und ganz plötzlich war der Spuk vorbei. Wie eine Seifenblase zerplatzte das schwefelgelbe Gebilde. Übrig blieb eine ganz in violett gekleidete Hexe, die auf ihrem Besen ins Trudeln geriet. In halsbrecherischem Tempo stürzte sie den tobenden Wellen entgegen. Da streckte Runa, die das Treiben gespannt beobachtet hatte, ihre Arme nach ihr aus, murmelte einen Zauberspruch und zog sie, trotz der großen Entfernung, sicher zu sich an Land.
    Magnolia atmete erleichtert auf. Das wäre geschafft. Eine solche Ritterlichkeit hätte sie ihrer Lehrerin überhaupt nicht zugetraut. In Gedanken entschuldigte sie sich bei Runa. Ohne ihre Hilfe wäre die fremde Hexe vermutlich ertrunken. Schnell kehrte Magnolia zur Hallig zurück. Sie war noch nicht gelandet, da musste sie jedoch auch schon einsehen, dass ihre Entschuldigung voreilig gewesen war. Von Ritterlichkeit und Versöhnung keine Spur. Da unten flogen die Fäuste. Die Hexen hielten sich nicht mit unnötigen Reden auf. Wie die Furien gingen sie aufeinander los. Es wurde geboxt, gekniffen und gekreischt. Und sicher wäre es noch eine ganze Weile so weitergegangen, hätte sich Nemo nicht aus dem Fenster gelehnt, seinen Zauberstab auf Libussa gerichtet und sie mit einem funkelnden Goldregen übergossen. Magnolia grinste, sie war sicher, dass es eigentlich ein Schmetterblitz hatte werden sollen. Die Wirkung war zwar nicht die gleiche, aber Libussa war so irritiert, als die kleinen Funkelsternchen sie umkreisten, dass es Runa gelang, den entscheidenden Kinnhaken zu landen. Bewusstlos sackte die Wetterhexe zu Boden.
    Magnolia wusste, dass ihre Lehrerin nicht zimperlich war.
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