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Magier von Moskau

Magier von Moskau

Titel: Magier von Moskau
Autoren: B Akunin
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Handschuhe mit den riesigen Stulpen ab. »Sitzt da und reibt sich die Pfoten. Wartet, bis sich ein Falter im Netz verfängt … Wenn ich fertig bin, rufen Sie telephonisch die Polizei. Geben Sie mir Ihr Wort, daß Sie mich nicht aufhalten werden.«
    »Ich gebe mein Wort«, murmelte ich gehorsam, obwohl ich nach wie vor nichts verstand.
    Der Doge öffnete uns, ohne vorher zu fragen, wer ihn mitten in der Nacht aufsuchte. Er trug einen samtenen Hausmantel in der Art eines altertümlichen Kaftans. Darunter ein weißes Hemd mit Krawatte. Nachdem er uns schweigend betrachtet hatte, sagte er auflachend: »Ein interessantes Paar. Ich wußte nicht, daß Sie befreundet sind.«
    Mich wunderte, daß er völlig anders aussah als bei der letzten Sitzung – nicht kläglich und verloren, sondern selbstgewiß, sogar triumphierend. Ganz wie in alten Zeiten.
    »Was ist der Grund Ihres unerwarteten Besuchs und Ihrer finsteren Miene?« fragte er spöttisch, während er uns in den Salon geleitete. »Nein, sagen Sie nichts, ich errate es selbst. Die Selbstmorde gehen weiter, nicht wahr? Die Schließung des unheilvollen Klubs hat nichts gebracht? Was habe ich Ihnen gesagt!« Er schüttelte den Kopf und stieß einen Seufzer aus.
    »Nein, Herr Blagowolski«, sagte Gendsi leise, »der Klub existiert nicht mehr. Es bleibt nur eine allerletzte Formalität.«
    |274| Er konnte nicht weitersprechen. Der Doge sprang behende zurück und zog seine »Bulldogge« aus der Tasche. Vor Überraschung ächzte ich auf und machte einen Schritt zur Seite.
    Aber Gendsi blieb unbeeindruckt. Er schleuderte Blagowolski einen seiner schweren Handschuhe ins Gesicht und stieß im selben Augenblick mit beispielloser Gewandtheit den Fuß im gelben Schuh gegen den Revolver.
    Die Waffe flog, ohne einen Schuß abgegeben zu haben, auf den Boden. Ich hob sie rasch auf und reichte sie meinem Begleiter.
    »Kann ich das als Geständnis werten?« sagte Gendsi mit kalter Wut. Er stotterte überhaupt nicht mehr. »Ich könnte Sie erschießen, Blagowolski, jetzt, in dieser Sekunde, und das wäre legitime Notwehr. Aber es soll alles nach dem Gesetz gehen.«
    Prospero wurde blaß, das Spötteln war ihm vergangen.
    »Wieso Geständnis?« murmelte er. »Was für ein Gesetz? Sie sprechen in Rätseln! Ich dachte, Sie wären übergeschnappt wie Caliban und wollten mich töten. Wer sind Sie wirklich? Was wollen Sie von mir?«
    »Ich sehe, das wird ein längeres Gespräch. Setzen Sie sich.« Gendsi wies auf einen Stuhl. »Ich wußte im voraus, daß Sie alles abstreiten.«
    Der Doge schielte furchtsam nach dem Revolver.
    »Na schön. Ich tue, was Sie wollen. Aber gehen wir lieber in mein Kabinett. Hier zieht es, und mich fröstelt.«
    Wir gingen durch das dunkle Speisezimmer und nahmen im Kabinett Platz: der Hausherr am Schreibtisch, Gendsi ihm gegenüber in einem gewaltigen Sessel für Gäste und ich seitlich. Auf dem großen Tisch herrschte heilloses Durcheinander: Da lagen Bücher mit Lesezeichen, vollgeschriebene |275| Blätter, mittendrin blinkte eine üppige bronzene Schreibgarnitur in Gestalt russischer Sagenhelden, und ganz am Rand stand das wohlbekannte Roulette, das aus dem Salon vertrieben worden war und hier, im Herzstück des Hauses, eine Zuflucht gefunden hatte. Wahrscheinlich sollte das Glücksrad den Hausherrn an die Tage einstiger Größe erinnern.
    »Hören Sie aufmerksam zu und merken Sie sich alles«, befahl mir Gendsi. »Damit Sie es später in Ihrem Bericht möglichst genau wiedergeben können.«
    Ich muß dazu sagen, daß ich die Pflichten des Zeugen sehr ernst genommen habe. Bevor ich das Haus verließ, hatte ich Bleistift und Notizblock eingesteckt, seinerzeit auf Ihren Rat hin angeschafft. Hätte ich nicht diese Umsicht walten lassen, könnte ich jetzt die Vorgänge nicht mit solcher Genauigkeit reproduzieren.
    Blagowolski fuhr anfangs nervös mit den Fingern über das grüne Tuch, doch dann hatte er sich wieder in der Gewalt: Er nahm die linke Hand vom Tisch, legte die Rechte auf den Helm des bronzenen Tintenfaß-Recken und bewegte sich nicht mehr.
    »Dürfte ich Sie um eine Erklärung bitten, meine Herren, was das alles zu bedeuten hat«, sagte er würdevoll. »Sie scheinen mich zu beschuldigen?«
    Gendsi versuchte, seinen Sessel zu verrücken, aber der erwies sich als zu massiv und versank außerdem mit den dicken Füßen in einem flauschigen quadratischen Teppich, der offensichtlich auf Bestellung angefertigt war, genau in der Größe des Sessels. So mußte
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