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Magie und Schicksal - 2

Magie und Schicksal - 2

Titel: Magie und Schicksal - 2
Autoren: Michelle Zink
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weiche Gras unter meinen Füßen zu fühlen, stattdessen trifft meine Haut auf etwas Raues, Kratziges. Als ich nach unten blicke, sehe ich, dass das Gras braun und tot ist. Ich hebe den Blick; die Landschaft ringsum ist grau und schwarz. Es sind noch die Felder von Birchwood, aber es sind tote Felder.
    Nicht nur die Vegetation ist bar jeglichen Lebens. Selbst der Luft scheint der Sauerstoff entzogen zu sein. Als ob diese Welt aufgegeben worden wäre. Als ob alle Kreaturen in den Anderswelten wüssten, dass hier nichts Gutes gedeihen kann, und alle haben sie sich zurückgezogen. Ich drehe mich um die eigene Achse und halte nach den Seelen Ausschau.
    Ich höre sie – nein, ich fühle sie, bevor ich sie hören oder sehen kann.
    Es vibriert unter meinen Füßen; dann wird ein leises Rumpeln wahrnehmbar, wie ein großes Tier, das auf mich zudonnert und jeden Moment durch die Bäume bricht. Mein Herzschlag beschleunigt sich und ich warte und lausche. Dann gibt es keinen Zweifel mehr: Das Donnern ist das Getrappel von unzähligen Hufen, die sich rasch nähern. Es sind mehr als je zuvor. Das Untier hat zweifellos nach all seinen Getreuen geschickt, damit sie es begleiten und
ihm bei meiner Gefangennahme behilflich sind. Und damit sie gemeinsam mit ihm das Tor in meine Welt durchschreiten. Aber das werde ich mit aller Macht zu verhindern suchen.
    Die Pferde nähern sich mit einer Geschwindigkeit, die ihresgleichen sucht. Ich wende mich dem Wald zu, aus dem der meiste Höllenlärm kommt, und wappne mich für den Anblick der Seelen. Ich habe den Eindruck, dass sie von allen Seiten auf mich eindringen, aber ich will nicht hektisch hin und her blicken, sondern mich auf eine Stelle konzentrieren. Ich will ruhig bleiben.
    Doch wie kann ich das, bei dem Anblick, der sich mir bietet?
    Die Seelen strömen aus dem Wald, die Arme erhoben, die gezückten Schwerter feurig glänzend. Ich hatte vergessen, wie gewaltig sie sind, denn selbst die Mitglieder der Leibwache, die in unserer Welt Samaels Sache vertreten, sind nicht größer als gewöhnliche Menschen. Die Seelen dagegen sind zweimal so groß wie ein ausgewachsener Mann, und alle sitzen auf Pferden, neben denen Sargent wie ein Pony aussehen würde. Sie zögern und zaudern nicht, als sie mich auf dem offenen Feld stehen sehen, sondern strömen mit neuer Energie vorwärts, als ob sie Angst hätten, ich könnte im letzten Moment fliehen.
    Aber ich tue nichts dergleichen. Ich tue rein gar nichts. Ich habe weder meinen Bogen noch irgendeine andere Waffe zur Verteidigung. Das alles liegt hinter mir. Jetzt
rufe ich sie zu mir, befehle sie mit aller Willenskraft an meine Seite.
    Um sie mit aller Stärke, die mir von meinen Ahnfrauen der Schwesternschaft verliehen wurde, zu bekämpfen.
    Tante Abigail. Tante Virginia. Meine Mutter.
    Sie sind jetzt bei mir, kreisen mich ein, umringen mich, bis ich wie ein kleines Tier in ihrer Falle sitze. Dann recken die Verlorenen Seelen, die so dicht stehen, dass ich ihr Ende nicht sehen kann, die Schwerter in die Höhe und stoßen ein tiefes, dröhnendes Gebrüll aus. Es braucht keine Worte, damit ich ihr Brüllen als Siegesgeschrei erkenne.
    Ich fange an zu zittern. Ich kann meine Angst nicht länger verbergen. Sie sind so riesig, so unvorstellbar groß. Ihre Körper sind muskulöse Fleischberge, an denen noch die Reste zerfetzter Kleidung hängen. Ihre Gesichter, zu triumphierenden Grimassen verzogen und hinter struppigen Bärten halb versteckt, sind entsetzlich anzuschauen.
    Sie rücken näher an mich heran. Ihre mächtigen Rösser fletschen die Zähne und schnappen nach mir. Ich fange schon an zu glauben, dass mir der Abgrund erspart bleibt. Dass ich hier und jetzt sterben werde, zertrampelt von den Hufen dieser Riesenpferde, ehe ich auch nur den Versuch wagen kann, das Tor zu schließen.
    Aber dann fühle ich es. Es ist, als ob sich mein eigener Herzschlag plötzlich vervielfältigt hätte. Anfangs ist es noch schwach, kaum merklich, aber gleich darauf wird es stärker. Es kommt näher, von außen wie auch in meinem Inneren, bis ich völlig davon eingehüllt werde, an Leib und
Seele. Die Menge der Seelen driftet zur Seite, bildet eine Gasse, salutiert mit erhobenen Schwertern und gesenkten Köpfen. Der Herzschlag nimmt zu, nähert sich dem Rhythmus meines eigenen an, während die Seelen dem Untier Platz machen.
    Er erhebt sich vor mir, ganz in Schwarz gekleidet. Seine Größe ist entsetzlich. Aber sein Erscheinungsbild ist das eines gut aussehenden
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