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Magie und Schicksal - 2

Magie und Schicksal - 2

Titel: Magie und Schicksal - 2
Autoren: Michelle Zink
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Mannes, und ich muss an den Augenblick denken, als ich auf den Schwingen reiste und sich sein Gesicht in das eines schreckenerregenden Ungeheuers verwandelte, das mich durch die Wälder verfolgte und mit rasiermesserscharfen Krallen nach mir schlug. Ich darf dieses Bild nicht vergessen. Ich darf mich nicht von seinem falschen und verführerischen Gesicht einlullen lassen. Von dem Herzschlag, der immer noch den Gleichklang mit meinem sucht.
    Er ragt vor mir auf. Wenn er jetzt angreifen würde, wäre ich nichts weiter als Staub vor seinen Füßen. Aber er kommt nicht hoch zu Ross zu mir. Stattdessen steigt er aus dem Sattel, mit einer einzigen Bewegung, die graziöser ist als alles, was ich je gesehen habe, trotz seiner Größe.
    »Mistress. Ihr beehrt mich mit Eurer Anwesenheit.« Seine Stimme klingt betont sanft und weich, wie ein Raubtier, das seine Beute hypnotisieren will.
    Ich schlucke und gebe mir Mühe, meine Stimme stark und sicher klingen zu lassen. »Ich tue Euch keine Ehre an. Ich komme im Namen der Schwesternschaft, um das Tor zu verschließen und Euch auf immer aus der Welt der
Lebenden zu verbannen.« Selbst in meinen Ohren klingen meine Worte wie die eines Kindes, aber mehr weiß ich nicht zu sagen.
    Mit großen Schritten kommt er auf mich zu. Seine Stiefel schaben über den trockenen Boden, der unter seiner Wucht vibriert.
    »Euch fehlt der Wächter.«
    Ich recke das Kinn hoch. »Vielleicht, aber ich verlange trotzdem, dass das Tor geschlossen wird, so, wie es die Prophezeiung besagt.«
    Seine Augen verengen sich, und ich sehe, dass sie in ihrer Mitte golden sind, umrahmt von einem roten Kreis. »Ihr seid eine störrische Frau.« Seine Stimme scheint durch meine Poren in meinen Körper zu dringen. Ich höre die Flügel auf seinem Rücken rauschen. »Ihr werdet nur dann Frieden finden, wenn Ihr von Eurem missgeleiteten Vorhaben ablasst.«
    Er kommt noch näher, bleibt etwa einen Schritt vor mir stehen. Sein Blick bohrt sich in meine Augen. Die Welt ringsum verschwimmt. Das tote Feld, die Seelen … sie alle verblassen, während sich seine unheimliche Stimme den Weg in mein Blut bahnt. Die Worte breiten sich zischend wie ätzende Säure aus. »Euer Platz ist an meiner Seite, Mistress, und Ihr wisst essss. Ihr fühlt essss.«
    Mit einem Knall und einem Knattern öffnen sich die Flügel, schießen seitlich heraus, sodass die Seelen dahinter verschwinden. Die Flügel locken mich. Die glänzenden Federn, poliertem Onyx gleich, flüstern mir von Frieden
und Sicherheit. Dort bin ich sicher vor Samael, aber am meisten vor mir selbst.
    Ich schüttele den Kopf und klammere mich an den Rest meiner Entschlusskraft. »Nein. Das ist nicht wahr.« Aber der Herzschlag, der nicht mein eigener ist, wird immer lauter. Und jetzt schlagen unsere beiden Herzen in einem Rhythmus, wie ein einziges Herz. Ich merke, wie meine Willenskraft schwindet.
    »Ja, Ihr fühlt essss«, sagt er und macht einen weiteren Schritt auf mich zu. Mit dem Rücken seiner behandschuhten Hand streicht er mir über die Wange. »Es ist ganz natürlich, dass Ihr das Band spürt, das uns beide verbindet. Darin liegt keine Schande. Ihr wurdet geboren, um mich in die Welt der Lebenden zu geleiten. Um an meiner Seite zu herrschen.«
    Wieder schüttele ich den Kopf, aber die Apathie schleicht sich wie Nebel in meinen Geist, bis das, was er sagt, auf eine verdrehte Art und Weise einen Sinn ergibt. Als er seine Flügel um mich schlingt, hüllt er mich in eine Wolke aus Trost und Geborgenheit ein, umschließt mich mit Wärme und Weichheit. Der Herzschlag wird lauter. Ein Herz – unser Herz.
    Und jetzt ist alles so einfach.
    Wir sind eins, wie es die Prophezeiung will. Es steht mir nicht zu, ihn abzuweisen. Meine Verweigerung hat nichts als Trauer und Schmerz über mich gebracht. Und Dunkelheit. Genau das, was ich eigentlich vermeiden wollte.
    Ich schmiege mich in seine weichen, nachgiebigen Flügel
und reibe meine Wange an seinen Federn. Mein Herz hat nun seinen Gegenpart gefunden und gibt sich seinem Herzen hin …
    Dann scheint meine Seele entzweigerissen zu werden.
    Mit einem Aufschrei hebe ich den Kopf von der daunenweichen Brust des Untiers. Ein Ruck an der Astralschnur, die mich mit meinem irdischen Körper verbindet, zerrt mich aus seiner Umarmung, bis ich erneut durch stumme Dunkelheit falle. Diesmal ist mein Sturz schier endlos, und als er endet, nehme ich als Erstes gedämpfte Stimmen wahr, die wie eine einzige Stimme Worte aussprechen, Worte, die
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