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Magie und Schicksal - 2

Magie und Schicksal - 2

Titel: Magie und Schicksal - 2
Autoren: Michelle Zink
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Herren.
    Samaels goldene Augen fangen meinen Blick ein. Die roten Ringe um die Pupillen glühen. »Ihr macht einen großen Fehler, Mistressss.«
    Hinter meinen Worten versammelt sich Kraft. Meine Stimme klingt im Chor mit meiner Schwester. Ich wusste immer, dass wir gemeinsam mächtiger sind als jede für sich allein. Ich vermute, dass Alice es auch weiß.
    Der Wind nimmt zu und ich höre und fühle es. Er erhebt sich ringsum, wie eine Wolke, schließt das Untier, Alice und mich ein, bis wir wie in einem Kokon von unserem eigenen Zyklon eingehüllt sind. Mein Haar peitscht mir ins Gesicht und ich kann meinen Körper nur mit Mühe aufrecht halten.
    Samael wendet sich Alice zu. »Du wirst deinen Verrat bitter bereuen.« Er schreit nicht, und dennoch verstehe ich ihn klar und deutlich.
    Alice begegnet gelassen seinem Blick, ohne in ihrer stetigen Wiederholung der Beschwörung nachzulassen.
    Einen Augenblick später ertönt über uns ein entsetzliches Krachen. Ich schaue nach oben und sehe einen riesigen Riss in dem Himmel der Anderswelten. Samaels Augen folgen meinem Blick, und seine Gestalt beginnt
sich zu wandeln – von der eines Mannes in etwas gänzlich anderes.
    In ein Monster.
    In ein Untier.
    Er richtet seine nunmehr fast gänzlich roten Augen auf Alice. »Wenn ich gehe, gehst du auch.«
    Für einen kurzen Moment ist mir, als ob ich ins Wasser blicke und dort eine Vision sehe. Sein Körper schimmert, seine Kleidung reißt auf, während er immer größer und größer wird und sich aus seiner menschlichen Form löst. Die Gestalt, die daraus emporwächst, ist nicht länger ansehnlich und wohlproportioniert. Sie ist verdreht und verformt, und noch während ich hinschaue und Zeuge dieser furchtbaren Verwandlung werde, reißt er das Maul auf und entblößt mächtige, messerscharfe Zähne. Sie sind so spitz wie Schwerter und schnappen nach uns. Dann stürzt er sich mit Gebrüll auf Alice.
    Alice wankt und weicht nicht. Unbeirrt fährt sie mit der Beschwörung fort und eine angstvolle Ahnung überfällt mich. Ich will um alles in der Welt nicht, dass sie in den Abgrund gerissen wird.
    Ihr entschlossenes Antlitz gibt mir Kraft, und ich spreche ebenfalls die Worte der Beschwörung, passe meine Stimme ihrer an. Wieder ertönt das Krachen und der Riss im Himmel wird größer. Die ganze Welt scheint unter meinen Füßen zur Seite zu kippen. Samael wirft einen Blick nach oben. Dann fasst er die Zügel seines Pferdes fester. Das Tier erhebt sich auf die Hinterbeine und wirft einen
langen Schatten auf uns, in dem gleichen Augenblick, in dem Samael uns mit seinem glühenden Blick fixiert und angreift.
    »Hör nicht auf, die Beschwörung zu sprechen, Lia, egal was passiert, bis du wieder sicher in unserer Welt bist. Versprich mir das oder es war alles umsonst.«
    Ich muss schreien, um den heulenden Wind zu übertönen. »Ich verspreche es!«
    Gemeinsam sprechen wir die Beschwörung, während Samael auf uns zujagt. Seine Augen weichen keinen Moment von Alice. Ich fühle seinen Herzschlag nicht mehr, aber mein eigener schlägt heftig genug für zwei Herzen. Ich weiß nicht, was lauter ist, der kreischende Wind, das Donnern der Pferdehufe oder mein eigenes Herz. Aber ich halte mich an mein Versprechen und spreche weiter, selbst als er direkt vor uns ist. Selbst als er sich bückt und nach meiner Schwester greift. Er reißt sie von meiner Seite, obwohl ich ihre Hand so fest halte wie in dem Moment, in dem sie mich in Birchwood aus dem Fluss zog.
    Aber es hat keinen Sinn. Meine erbärmliche Kraft kann Samael nicht die Stirn bieten. Alice wird mir aus den Fingern gerissen. Er wirft sie vor sich aufs Pferd und schlingt seine mächtigen Flügel um sie, bis ich sie nicht mehr sehen kann. Dann wendet er sein Ross und galoppiert auf den Wald zu.
    Er kommt nicht weit.
    Sein Pferd wird langsamer, die Bewegungen seltsam schleppend, dann bleibt es ganz stehen. Das Tier scheint
gegen eine unsichtbare Macht anzukämpfen. Dann wiehert es und steigt auf die Hinterbeine, ehe es hochgehoben wird, samt Samael und meiner Schwester, hinauf zu dem Riss im Himmel.
    Das Untier und sein Pferd wehren sich mit aller Kraft gegen den Sog, der sie mitreißt. Aber was für eine Macht sie auch im Griff haben mag, was für eine Macht meine Schwester und ich auch heraufbeschworen haben, sie ist stärker als alles, stärker noch als Samael.
    Und dann sind sie fort.
    »Alice!« Meine Stimme durchschneidet die Totenstille auf den Feldern.
    Ich schaue mich nach den
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