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Magie und Schicksal - 2

Magie und Schicksal - 2

Titel: Magie und Schicksal - 2
Autoren: Michelle Zink
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Seelen um. Auch sie sind fort. Der Wind hat sich gelegt und der Riss im Himmel hat sich wieder geschlossen. Ich höre etwas klirrend zu Boden fallen und schaue nach unten. Dort liegt das Medaillon im Gras. Ich hebe es auf und drehe es um, will mir die Gravur der Schlange betrachten und das C in der Mitte.
    Es ist fort.
    Das Metall ist glatt, als wäre dort nie etwas gewesen.
    Ich schaue auf meinem Handgelenk nach, ob auch das Zeichen auf meiner Haut verschwunden ist, aber das ist noch da, wie am ersten Tag nach Vaters Tod.
    Ich streiche über die glatte Oberfläche des Medaillons und überlege, ob ich es mitnehmen soll. Es war so lange ein Teil von mir, und aus irgendeinem Grund widerstrebt es mir, es zurückzulassen.
    Andererseits verlangt es mich danach, mich endgültig
seinem Einfluss zu entziehen. Ich lasse es wieder zu Boden fallen. Dann schaue ich mich um und denke an meine Schwester, warte darauf, dass mich die Schwingen zu ihr tragen werden, wie früher. Ich stelle mir vor, sie sei im Abgrund, dann am Strand, irgendwo in den sieben Anderswelten, die ich bereist habe, aber nichts geschieht. Kein Gedanke trägt mich zu ihr. Stattdessen falle ich wieder einmal in diese Dunkelheit, falle und falle, bis meine Seele in meinen Leib eintaucht und ich wieder neben dem reglosen Körper meiner Schwester neben dem Feuer liege. In Avebury, in der wirklichen Welt.
    Mein Rücken schmerzt sosehr, dass ich kaum Luft bekomme. Ich bleibe noch einen Moment liegen, ehe ich die Kraft aufbringen kann, mich zu erheben und mich über meine Schwester zu beugen. Ich schiebe meinen Arm unter ihren Nacken und hebe ihren Oberkörper auf meinen Schoß.
    »Alice! Komm zurück, Alice! Du hast es geschafft! Wir haben es geschafft!« Die Worte fühlen sich fremd in meinem Mund an, und meine Kehle ist rau, als ob ich sehr lange nicht gesprochen hätte. Dann merke ich überrascht, dass Tränen auf das Gesicht meiner Schwester fallen. Es sind meine Tränen. Ich kann um sie weinen. »Komm jetzt zurück. James wartet auf dich.« Meine Stimme wird grob, als ob ich sie mit meinem Zorn und meiner Verzweiflung zurück in ihren Körper zwingen könnte. »Du hast es doch für ihn getan, nicht wahr? Nicht wahr?!«
    »Lia.« Dimitri kauert sich neben mir nieder und legt mir
seine Hand auf den Arm. »Sie ist fort, Lia. Sie hat getan, weswegen sie gekommen ist.«
    »Nein.« Ich schüttele den Kopf. Die Tränen strömen mir jetzt über die Wangen und ich drücke den Körper meiner Schwester an mich. »Das ist nicht fair. Sie darf nicht fort sein. Nicht, nachdem sie ihre Aufgabe als Wächter erfüllt hat. Nicht, nachdem sie mich gerettet hat. Nachdem sie uns alle gerettet hat.«
    »Lia.« Seine Stimme ist sanft.
    Immer weiter schüttele ich den Kopf. Ich will ihn nicht anschauen. Wenn ich es tue, wird alles wahr werden.
    Stattdessen schaue ich zu Luisa, Sonia, Tante Virginia … sie alle umringen mich. »Sie wird wieder gesund, nicht wahr? Sie muss sich nur erholen. Sie schläft, das ist alles.«
    Luisa kniet sich neben mich ins Gras. Ihre Stimme ist voller Mitgefühl, aber in ihren Augen sehe ich Erleichterung. Ich weiche ihrem Blick aus. »Es ist vorbei, Lia. Du hast es geschafft. Du hast das Tor auf immer verschlossen.«
    Ich drehe den Kopf von ihr weg und wiege mich mit Alice in den Armen vor und zurück. Ich will nicht hören, was sie mir zu sagen hat.
    Aber Dimitri lässt nicht zu, dass ich mich der Wahrheit verschließe.
    »Schau mich an, Lia.« Seine Stimme lässt keinen Widerspruch zu. Ich hebe meinen Kopf, ohne Alice loszulassen. »Sie wusste, was sie tat. Sie wurde während des ganzen Weges hierher von der Leibwache gejagt, aber sie hat es geschafft. Die Leibwache verschwand, nachdem du das Tor
geschlossen hattest. Alice war sich klar darüber, welches Opfer dazu nötig war. Sie wusste, dass sie nicht lebend aus der Sache herauskommen würde. Es war ihre eigene Entscheidung. «
    »Sie wollte wieder gut sein«, schluchze ich.
    »Ja.« Er nickt. »Sie wollte wieder gut sein.«

41
    D ie Sonne kämpft tapfer gegen die stahlgrauen Wolken an, die sie zu ersticken drohen. Es erscheint mir angemessen, dass der Tag weder düster noch strahlend hell ist, als ob selbst der Himmel nicht genau wüsste, wie er Alices Tod aufnehmen soll.
    James steht stumm neben mir. Wir befinden uns auf dem kleinen Familienfriedhof auf dem Hügel. Zu unseren Füßen liegt die frisch aufgegrabene Erde aufgeschichtet, dahinter erhebt sich der Grabstein aus Granit. Dimitri und die
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