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Magical Mystery

Magical Mystery

Titel: Magical Mystery
Autoren: Sven Regener
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hau euch tot!«
    »Nicht hauen.«
    Nun kam er doch raus, ein kleiner, dünner Junge, vielleicht sieben Jahre alt. Er hielt die Hände über den Kopf. »Nicht hauen.«
    »Keine Angst.« Ich atmete auf und stellte die Schaufel weg. Ich merkte, dass ich schwitzte. Ich holte den Tabak raus und drehte mit zitternden Händen erst einmal eine Zigarette. Der Kleine stand zwischen den herumgeräumten Säcken und schaute mir dabei zu.
    »Ich dachte, du sollst mich festhalten und dann Hartmut anrufen!«, sagte er nach einer Weile.
    »Das hättest du wohl gerne!«
    »Nee …« Er kam näher und beschaute sich den Babybrei, den ich für Jimmy und Johnny gemischt hatte. »Kann ich davon was haben?«
    »Bist du schon vor dem Frühstück abgehauen, oder was?«
    »Ich? Wieso abgehauen? Ich bin doch nicht abgehauen!« Er war kurz davor zu heulen, das konnte man sehen, die Augen kniff er zusammen und die Stimme kippte ins Weinerliche.
    »Meinetwegen«, sagte ich. »Sei froh, dass noch keine Würmer drin sind!« Ich suchte ihm einen Löffel raus und wusch ihn ab. »Wo wolltest du denn hin?«
    »Nach Hause«, sagte er und löffelte hastig den Babybrei weg. »Da sind ja Bananen drin.«
    »Ja, der ist für die Affen. Alle glauben immer, dass die gerne Bananen essen.«
    »Stimmt das denn nicht?«
    »Mehlwürmer mögen sie lieber. Und Käfer. Fleisch überhaupt.«
    »Und wieso gebt ihr ihnen dann Bananen?«
    »Ist halt so«, sagte ich. »Weil’s Affen sind. Und du? Warum bist du hier?«
    »Ich bin auf Erholung hier. Und ich soll auch mehr essen. Dicker werden!«
    Die Kinder waren gerade erst angekommen. Dreimal im Jahr kamen neue Kinder und blieben für hundert Tage, alle Probleme durcheinander, Legastheniker, Choleriker, Verweigerer, Stotterer, die Hamburger Schulbehörde schickte sie dreimal im Jahr, immer hundert auf einmal, dazwischen wurde alles gründlich saubergemacht und desinfiziert.
    »Erholung? Du hast doch bestimmt auch Scheiße in der Schule gebaut!«
    »Ich doch nicht. Ich bin zur Erholung hier.«
    »Und wieso willst du dann gleich wieder weg?«
    »Ist doch scheiße hier. Total langweilig.«
    »Ja, aber das Essen ist gut«, sagte ich. »Ich an deiner Stelle wäre erst nach dem Frühstück abgehauen.«
    »Dann geht das schlecht, dann ist ja Hartmut immer da.«
    Ich mischte neuen Babybrei an und tat gleich ein paar Mehlwürmer rein, damit er den nicht auch noch wollte. Er schaute interessiert zu.
    »Fütterst du die Affen jetzt?«
    »Ja. Du kannst zugucken. Du kennst das hier noch gar nicht, oder?«
    »Nein, wir sind ja gerade erst angekommen.«
    Jimmy und Johnny waren schon ganz außer sich, als wir zu ihnen kamen. Der Zoo hatte einen Innen- und einen Außenbereich, im Innenbereich waren die beiden Affen, die Alligatoren, die Kaninchen, die Schildkröten und ein großer Papageienvogel, der Geräusche machte wie ein altes Transistorradio. Ich öffnete eine kleine Tür in Jimmys und Johnnys Gehege und stellte ihnen den Brei mit den Mehlwürmern hin. Die beiden kleinen Dunkelmänner waren nur ungefähr zwanzig Zentimeter groß, aber sie konnten den Jungen nicht lange fesseln, die Alligatoren fand er besser.
    »Sind die Krokodile echt?«, fragte er.
    »Ja klar.«
    »Aber die bewegen sich gar nicht.«
    »Das sind wechselwarme Tiere. Die würden sich mehr bewegen, wenn’s wärmer wäre.«
    »Dann mach doch mal wärmer.«
    »Geht nicht, dann drehen die auf und dafür ist nicht genügend Platz. Die kommen bald weg, weil sie so groß geworden sind. Die haben ja kaum noch Platz da drin.«
    »Ach so.«
    Die Alligatoren waren in einem mit dickem Glas eingefassten Reptilienbecken untergebracht. Innen am Glas war zusätzlich ein Gitter. Vorne konnte man das Glas öffnen und dann das Gitter hochheben, um sie zu füttern oder rauszuholen. Ich hatte eine Heidenangst vor den Viechern und die Tage, an denen man sie füttern musste, waren schlechte Tage.
    »Und wie klein waren die früher?«
    »Wenn die ankommen, sind die noch so klein …«, ich zeigte ihm mit den Händen, wie klein, »… und dann werden die hochgepäppelt.«
    »Und wo kommen die dann hin?«
    »Alligatorenfarm.«
    »Und dann?«
    »Keine Ahnung. Wahrscheinlich Handtaschen.«
    »Hm …« Er schaute die Alligatoren weiter an und die Alligatoren blieben weiter regungslos sitzen. »Mach doch mal warm, damit die sich bewegen.«
    »Das ist nicht gesagt, dass die sich dann bewegen. Die lauern doch auf Beute.«
    »Was denn für Beute?«
    »Sowas wie dich.«
    Er lachte unsicher. »Ich
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