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Magazine of Fantasy and Science Fiction 01 - Saturn im Morgenlicht

Magazine of Fantasy and Science Fiction 01 - Saturn im Morgenlicht

Titel: Magazine of Fantasy and Science Fiction 01 - Saturn im Morgenlicht
Autoren: V.A.
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gut, was für einen Spaß ich hatte, als sich die Silberschicht wie magisch über meinen kleinen Spiegel ausbreitete. Er war nicht gerade vollkommen, aber doch gut genug, und ich hätte ihn gegen keinen von Mount Palomar eingetauscht.
    Ich befestigte ihn am Ende einer Holzplanke; wegen einer Teleskopröhre brauchte ich mir keine Sorgen zu machen, ich brachte um den Spiegel herum einfach ein paar Zentimeter Pappe an, um das Streulicht auszuschalten. Als Okular benutzte ich eine kleine Vergrößerungslinse, die ich in einem Kramladen ganz billig erstanden hatte. Alles in allem kostete mich das Teleskop nicht mehr als fünf Dollar, glaube ich – obgleich das für mich damals eine Menge Geld war.
    Wir wohnten zu der Zeit in einem heruntergekommenen Hotel, das meiner Familie gehörte und in der Third Avenue lag. Als ich das Teleskop fertig hatte, nahm ich es mit hinaus aufs Dach, um es zwischen dem Dschungel von Fernsehantennen, die in jenen Tagen auf jedem Gebäude ragten, auszuprobieren. Es dauerte eine Weile, bis ich den Spiegel und das Augenstück aufgebaut hatte, aber ich hatte keinen Fehler gemacht, und die Sache klappte. Als ein optisches Instrument war es wahrscheinlich recht dürftig – schließlich war es ja auch mein erster Versuch –, aber es vergrößerte wenigstens fünfzigmal, und ich konnte kaum die Nacht abwarten, um es auf die Sterne zu richten.
    Ich sah im Almanach nach und wußte, daß der Saturn nach Sonnenuntergang hoch im Osten stand. Bei Anbruch der Dunkelheit war ich oben auf dem Dach, bei meinem komischen Apparat aus Holz und Glas, der zwischen zwei Schornsteine gezwängt war. Es war Spätherbst, aber ich spürte die Kälte gar nicht, denn der Himmel war voller Sterne – und sie gehörten alle mir.
    Ich stellte den Fokus so scharf wie möglich ein, indem ich den ersten Stern, der aufging, zu Hilfe nahm. Dann machte ich mich auf die Suche nach dem Saturn und mußte bald entdecken, wie schwierig es war, irgend etwas mit einem reflektierenden Teleskop zu finden, das noch nicht einmal ordentlich aufgestellt war. Aber schließlich kreuzte der Planet mein Sichtfeld; ich rückte das Instrument ein paar Zentimeter hin und her – und da war er.
    Er war winzig, aber er war es. Ich glaube, ich hielt einige Minuten den Atem an; kaum traute ich meinen Augen. Nach all den Bildern war das die Wirklichkeit. Es sah aus wie ein Spielzeug, das da im Raum hing; die Ringe waren etwas geöffnet und neigten sich zu mir hin. Sogar jetzt noch, nach vierzig Jahren, erinnere ich mich an meine Gedanken damals: ›Er sieht so künstlich aus – wie etwas vom Weihnachtsbaum!‹ Zu seiner Linken stand ein einzelner heller Stern, und ich wußte, daß das der Titan war.«
    Er hielt inne, und einen Augenblick lang müssen wir beide den gleichen Gedanken nachgehangen sein. Für uns beide war Titan nicht mehr nur der größte Mond des Saturn – ein Lichtfleck, den nur die Astronomen kannten. Er war die bösartige und feindselige Welt, auf der ›Endeavour‹ gelandet war und wo drei meiner Kameraden in einsamen Gräbern ruhten, weiter entfernt von ihrer Heimat, als je ein Mensch begraben lag.
    »Ich weiß nicht, wie lange ich hinaufstarrte, meine Augen anstrengte und das Teleskop in abgehackten Rucken über den Himmel schwenkte, so, wie der Saturn über der Stadt dahinwanderte. Ich war Milliarden Meilen von New York entfernt; aber bald darauf machte New York wieder seine Ansprüche geltend.
    Ich erzählte Ihnen ja schon von dem Hotel; es gehörte meiner Mutter, aber Vater kümmerte sich darum, wenn auch nicht gut. Seit Jahren schon hatte es immer weniger eingebracht, und während meiner ganzen Kindheit hatte es immer wieder finanzielle Krisen gegeben. Deshalb nehme ich es meinem Vater auch nicht übel, daß er zu trinken anfing, er mußte von den ewigen finanziellen Sorgen halb wahnsinnig sein. Und ich selbst hatte ganz vergessen, daß ich dem Portier am Empfangstisch helfen sollte.
    So kam Vater mich suchen, voll eigener Sorgen und ohne etwas von meinen Träumen zu wissen. Er fand mich auf dem Dach, wo ich die Sterne anstarrte.
    Im Grunde war er nicht grausam – aber er konnte das Wissen und die Geduld, die ich in mein kleines Teleskop gesteckt hatte, nicht verstehen, und auch nicht die wunderbaren Dinge, die es mir während der kurzen Zeit gezeigt hatte. Ich verspüre heute keinen Haß mehr gegen ihn, aber nie in meinem Leben werde ich das splitternde Bersten meines ersten und letzten Spiegels vergessen, als er gegen die
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