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Mafiatochter

Mafiatochter

Titel: Mafiatochter
Autoren: Karen Gravano
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also.
    Zwei Wochen vor der geplanten Verhandlung des Doppelmordes wurde der Fall abgewiesen, weil die Geschichte des Ganoven zu viele Ungereimtheiten aufwies. So hatte der Typ etwa behauptet, mein Vater habe einen weißen ’72er Lincoln gefahren, doch mein Vater kaufte sich diesen Wagen erst Jahre nach den Morden. Obwohl mein Vater nun von allen Vorwürfen freigesprochen war, gab es für ihn kein Zurück mehr aus seinem kriminellen Dasein. Durch die Anwaltsgebühren hatte er sich verschuldet. Wenn er sich schon für das Berufsverbrechertum entschied, wollte er dies aber auch zu hundertprozentig tun. So war mein Vater eben: Was immer er auch tat, machte er hundertprozentig, ob als Krimineller, als Vater oder jemand, der mit den Behörden kooperierte. Wenn er sich einmal für etwas entschieden hatte, zog er es durch, ohne sich noch einmal umzublicken.
    Bald »verdiente« er genügend Geld, um sich eine eigene Wohnung leisten zu können, und wir zogen aus der Wohnung meiner Großeltern in ein Apartment an der 61. Straße.
    Meine Mutter war eine jener loyalen Ehefrauen, die mit ihrem Mann durch Dick und Dünn gingen und keine Fragen stellten. Sie zweifelte nie wirklich an meinem Vater, weil sie tief im Herzen fest daran glaubte, dass er es gut meinte. Ich weiß, dass sie wünschte, sie hätten Long Island und ihren Traum vom einfachen Leben nie hinter sich gelassen. Als die Mutter seiner Kinder trug sie alle seine Entscheidungen mit, wofür auch immer er sich entschied.
    Ich bin sicher, dass sie bisweilen wünschte, alles wäre anders gelaufen, doch sie begriff eines: Wenn die Ernährer nach Hause kamen, erzählten sie den Frauen nicht, was sie taten, und die Frauen stellten keine Fragen. Also umgab sie sich mit ihren Kindern, ihrer Schwester, ihren Eltern und einigen Ehefrauen von Männern aus der Clique meines Vaters, die diesen Lebensstil verstanden.
    Alle meine Großeltern hatten nie etwas mit der Mafia zu tun gehabt. Meine Großmutter und mein Großvater mütterlicherseits arbeiteten beide, um ihre Familie zu ernähren. Mein Großvater arbeitete nachts bei der Western Electric Telephone Company, wo er Schaltplatten zusammensetzte, und meine Mutter hatte einen Job in einer chemischen Reinigung. Es gelang ihnen, genug Geld für ein Sommerhäuschen in Pennsylvania zusammenzusparen, wo sie der Stadt entfliehen konnten.
    Die Eltern meines Vaters waren aus Italien nach Amerika gekommen. Die Familie war sehr arm. Als erste hatten die Männer die Überfahrt unternommen, dann wurden die Frauen und Kinder nachgeholt. Mein Großvater – »Giorlando« in Italien, aber »Gerry« in den USA – war der jüngste Junge und der Letzte, der nach Amerika gelangte. Er war noch ein Teenager, als er ganz allein mit dem Frachter von Sizilien nach Kanada reiste. Als das Schiff in Kanada anlegte, ging er von Bord und musste nur anhand einer Telefonnummer seinen Weg nach New York finden. Weil er illegal in die Vereinigten Staaten einwanderte, blieb ihm eine Einbürgerung für immer versagt. Er war sehr italienisch, geleitet von seinen strengen italienischen Traditionen, und sprach entweder Italienisch oder sehr gebrochen Englisch mit starkem italienischen Akzent.
    Die Mutter meines Vaters hieß eigentlich Caterina, wurde aber von allen Kay genannt. Sie war in den Vereinigten Staaten zur Welt gekommen und zog ihre drei Kinder englischsprachig auf, weil sie wusste, dass sie es nur so zu etwas bringen würden. Ich erinnere mich, dass ich als Kind dachte, wie seltsam es war, dass meine Großmutter, meine Tanten und mein Vater gut Englisch sprachen, mein Großvater hingegen nicht.
    Als Großvater Gravano einst nach New York gekommen war, hatte er eine Arbeit als Anstreicher gefunden. Ich weiß nicht, wie er meine Großmutter kennen lernte, doch als sie heirateten, arbeitete sie als Näherin.
    Durch den ständigen Kontakt mit Farbe holte sich mein Großvater eine Bleivergiftung, also musste meine Großmutter, eine ehrgeizige und hart arbeitende Frau, die Familie durchbringen. Der Boss meiner Großmutter half ihr, eine Kleiderfabrik in Bensonhurst zu eröffnen, und mein Großvater half ihr bei den Geschäften. Ich erinnere mich, dass meine Großmutter immer hübsche Kleider trug. Sie ging viel zu Fuß, sodass sie ihre gute Figur behielt.
    Meine Großeltern bekamen erst relativ spät Kinder, was durch eine Reihe von Fehlgeburten bedingt war. Schließlich zeugten sie drei Kinder, zunächst die beiden Töchter Jeannie und Fran, dann einen Sohn,
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