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Mafiatochter

Mafiatochter

Titel: Mafiatochter
Autoren: Karen Gravano
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Salvatore. Papas Eltern nannten ihn »Sammy«, weil er seinem Onkel Sammy so stark ähnelte. Den Namen behielt er. Er war das »Baby« meiner Großmutter.
    Meine Großeltern hatten zwar keine Verbindungen zur Mafia, in direkter Nachbarschaft lebten aber viele Mitglieder der Organisation. In Sizilien, wo die Cosa Nostra gegründet worden war, beschützen die Mafiosi ihr jeweiliges Viertel. Als sie aus Italien nach Amerika kamen, fanden sie, sie sollten dort dasselbe tun. Deshalb wurden sie in den Gemeinden geachtet. Großvater Gravano war mit der Kultur der Mafia vertraut und begegnete ihren Mitgliedern stets mit dem notwendigen Respekt.
    Wenn mein Großvater und mein Papa auf dem Weg zur Kleiderfabrik waren, saßen die Mafiosi immer vor den Gesellschaftsvereinen. Sie kannten meinen Großvater mit Namen und begrüßten ihn stets freudig auf der Straße. Mein Vater war neugierig, woher mein Großvater sie kannte. Mein Großvater erklärte, dass sie keine hart arbeitenden, netten Leute seien. »Es sind schlechte Leute, aber es sind unsere schlechten Leute«, pflegte er zu sagen.
    Er erklärte meinem Vater, dass sie diejenigen seien, an die sich die italienische Gemeinde wandte, wenn es Probleme zu lösen gebe. Den Italienern gegenüber bestünden große Vorurteile, daher fänden es die Italiener besser, sich um ihre Angelegenheiten so zu kümmern, wie sie es in der alten Heimat getan hätten. Er machte ihm unmissverständlich klar, dass man die Mafiosi zwar respektieren, ihnen aber besser aus dem Weg gehen solle.
    Mein Vater sagte, er sei eines jener Kinder gewesen, die auf dem Spielplatz der Schule ständig in eine Schlägerei geraten seien. Er war ein lausiger Schüler und deshalb gnadenlos gehänselt und gedemütigt worden. Die einzige Möglichkeit, sich Respekt zu verschaffen, habe darin bestanden, etwas draußen zu regeln, vor der Tür. Dort ließen ihn die Tyrannen in Ruhe. Als mein Papa in der vierten Klasse war, blieb er sitzen, weil er angeblich eine Lernschwäche hatte. Er war ein starker Legastheniker, doch seine Lehrer hielten ihn für geistig zurückgeblieben. Er versuchte, es mit einem Lachen abzutun, indem er den Klassenclown spielte. Die Fäuste zu gebrauchen und Stänkerer zu Boden zu schlagen, war jedoch leichter und befriedigender, also wurde jeder, der ihn hänselte, nach der Schule verprügelt.
    Zu Sammys zehntem Geburtstag kauften ihm meine Großeltern ein neues Fahrrad. Es wurde von ein paar Jugendlichen gestohlen, doch Sammy entdeckte es eine Woche später auf der Straße gegenüber vom Gesellschaftsverein. Als er es sich wieder holen wollte, nahm er es mit den beiden Jungs auf, die die Herausgabe verweigerten. Er schlug sich tapfer, was ihm von einigen Mafiosi, die das Ganze beobachteten, den Namen »Little Bull« – kleiner Stier einbrachte.
    Als mein Vater dreizehn war, bekam er einen Eindruck von der Macht der Mafia. Eines Tages war er in der Kleiderfabrik und half meinem Großvater bei der Lohnabrechnung, als zwei irisch aussehende Schlägertypen das Büro betraten. Sie behaupteten, sie kämen von der Gewerkschaft und bedrohten meinen Großvater. Sie sagten, er müsse entweder Schmiergeld zahlen oder den Laden gewerkschaftlich organisieren, ansonsten werde man ihm die Beine brechen. Mein Vater war entsetzt, wie respektlos sie mit ihm umsprangen. Sein Vater aber sagte, alles sei in Ordnung, Zuvito werde sich darum kümmern.
    Sammy wusste, dass Zuvito ein alter, gebrechlicher Mann aus der Nachbarschaft war. Er konnte gegen zwei wütende irische Bullenbeißer gewiss nichts ausrichten. Seine Kumpel von den Rampers gaben ihm eine Pistole und rieten ihm, die beiden Typen umzupusten. Am Montagmorgen kamen die beiden Männer wie angekündigt in die Kleiderfabrik. Diesmal jedoch waren sie äußerst freundlich und entschuldigten sich sogar. Sie sagten, sie hätten nicht gewusst, dass Zuvito Gerrys compadre sei. Alles war gut, und alle schüttelten sich die Hände.
    Sammy war verblüfft. Sein Vater sagte ihm abermals, dass er sich keine Sorgen machen müsse. Zuvito sei ein mächtiger Mann, ein schlechter Kerl, aber »unser schlechter Kerl«.
    Als Sammy seinem Vater die Pistole zeigte, geriet Gerry in Wut. Zornig blickte er seinen Sohn an, nahm die Waffe an sich und sagte, die Gravanos seien ehrliche, gesetzestreue Leute. Er sagte, wenn sie Probleme hätten, dann gingen sie zu Leuten wie Zuvito und bäten um Hilfe. Mein Großvater schlug ihn zwar nicht, aber mein Vater sagte, es habe nicht mehr viel
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