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Märchen

Märchen

Titel: Märchen
Autoren: Astrid Lindgren
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schwaches Klopfen an der Klassentür.
    Gunnar wartete am allermeisten. Aber sie kamen nicht. Da standen sie nun, die kleinen Bänkchen, vorn beim Pult der Lehrerin. Doch kein Peter und keine Petra saßen dort. Die kleinen Kleiderhaken im Gang blieben leer. Aber dann kam eines Tages ein kleiner Brief in Gunnars Briefkasten geflattert. Er war von Peter und Petra. Und in dem Brief stand:

    »Lieber Gunnar!
    Wir sind fortgezogen nach Tierp, denn Mama fand, wir könten hier eine besere Wohnung bekomen. Aber hier gibt es keine Eissbahn aber wir üben jetzt auf einem kleinen See aber es war fast beser auf der Eisbahn im Vasa-Park. Auf Wiedersehen, Gunar, Du bist ein prihma Kerl
    Peter und Petra.«
    Gunnar läuft an den Winterabenden immer noch Schlittschuh im Vasa-Park. Doch manchmal bleibt er stehen und schaut nur. Dann glaubt er, einen winzigen Jungen und ein winziges Mädchen zu sehen, die zu einer leisen Musik von weit her auf dem Eis tanzen.
    Klingt meine Linde
    or langer Zeit, in den Tagen der Armut, da gab es noch Armenhäuser im ganzen Land, in jedem Kirchspiel
    Veins. Dort wohnten die Ärmsten der Armen, die Alten und Gebrechlichen, die nicht mehr arbeiten konnten, die Hunger-leider und Kranken und Bresthaften, die närrischen Tröpfe und die Waisenkinder, die niemand in Pflege nehmen wollte. Sie alle brachte man zur Stätte der Seufzer, zum Spittel.
    Auch im Kirchspiel Norka gab es eins, und dorthin kam Malin, als sie acht Jahre alt war.
    Vater und Mutter waren an der Schwindsucht gestorben, und da die Norkabauern fürchteten, Malin könne ihnen die Krankheit ins Haus bringen, wollte sie keiner für Geld in Pflege nehmen, wie es sonst Brauch war, und deshalb kam sie ins Spittel.
    Es war noch zeitig im Frühjahr an einem Samstagabend, und alle Armenhäusler hockten am Fenster und gafften auf die Dorfstraße. Es war das einzige Vergnügen der Allerärmsten am Samstagabend. Nicht, daß es so viel zu sehen gegeben hätte. Dort kam ein verspätetes Bauernfuhrwerk von einer Reise in die Stadt heim, dort kamen ein paar Häuslerbuben auf dem Weg zum Angeln, und dort kam auch Malin mit ihrem Kleiderbündel unter dem Arm. Ihr starrten sie alle entgegen.
    Ich Ärmste, ich muß ins Spittel, dachte Malin, als sie auf der Vordertreppe stand. Ich Ärmste!
    Sie klinkte die Tür auf, und vor ihr stand Pompadulla, die im Spittel von Norka schaltete und waltete und die Erste unter den

    Spittlern war.
    »Willkommen im Hause der Armut«, sagte Pompadulla. »Eng haben wir es schon, und besser wird es jetzt auch nicht. Aber viel Platz brauchst du ja nicht, so klein und mager, wie du bist.«
    Malin schwieg und sah zu Boden.
    »Und kein Hopsen und Hüpfen, kein Toben und Tollen, das wollen wir hier nicht haben «, sagte Pompadulla. »Damit du es von vornherein weißt.«
    Und rings an den Wänden hockten die Armenhäusler und starrten Malin trübsinnig an, und sie dachte:
    Wer möchte hier wohl toben und tollen, ich nicht und auch niemand sonst.
    Sie kannte sie gut, die Armenhäusler von Norka, denn sie zogen ja tagtäglich mit ihren Bettelsäcken im Kirchspiel umher und baten und flehten um Gottes Barmherzigkeit willen um ein Stückchen Brot. Ja, sie kannte sie alle. Da war Schiefmaul, der Häßlichste im ganzen Dorf, mit dem man die Kinder gruseln machte, obwohl er so harmlos und gut war und niemandem etwas zuleide tat. Da war Jocke Kis, dem der liebe Gott den Verstand genommen hatte, und Ola auf Jola, der zehn Wecken essen konnte, ohne satt zu werden. Da war Sommer-Nisse mit seinem Holzbein und Hühner-Hilma mit ihrem Plierauge und Krücken-Anna und Liebe Güte und Keif-Marja, und über ihnen allen die großmächtige Pompadulla, vom Kirchspiel ausersehen, im Armenhaus zu herrschen.
    Malin stand an der Tür und sah sich um in der Not und im Elend des Armenhauses und dachte, daß sie hier ihr junges Leben verbringen müsse, bis sie alt genug sei, irgendwo als Magd zu dienen. Da wurde ihr das Herz schwer, denn sie wußte nicht, wie sie es ertragen sollte, hier zu leben, wo es nichts Schönes gab und keine Freude. Auch daheim waren sie arm gewesen, aber ganz gewiß hatte es dort Schönes gegeben und Freude. Ach, der Apfelbaum vor dem Fenster, wenn er im Frühling blühte, ach, die Maiglöckchen im Wald, ach, der Schrank mit den gemalten Rosen auf der Tür und der große blaue Leuchter mit den Talgkerzen darin, ach, Mutters braune Brotlaibe, wenn sie frisch gebacken aus dem Ofen kamen, und ach, die Küchendielen am Samstagabend, weiß
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