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Märchen

Märchen

Titel: Märchen
Autoren: Astrid Lindgren
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Die Bösen haben grüne Augen und lange Arme. Sie rannten hinter uns her. Sie sagten nichts. Sie schrien nicht. Rannten nur stumm hinter unseren Pferden her und streckten ihre langen Arme nach uns aus. Die Bösen wollten uns gefangennehmen und in die Große Schreckliche Höhle sperren. Aber Goldfunken und Silberfunken liefen so schnell, daß die Funken von ihren Hufen sprühten. Die Bösen blieben weit zurück.
    Dann kamen wir auf die Wiese, wo die Artigen wohnen. Dahin können die Bösen nicht kommen. Sie müssen im Großen Schrecklichen Wald bleiben. Dort standen sie nun am Waldrand und spähten mit ihren häßlichen grünen Augen zwischen den Bäumen hervor.
    Bei den Artigen hatten wir viel Spaß. Wir stiegen von den Pferden und setzten uns ins Gras. Goldfunken und Silberfunken wälzten sich auch im Gras und wieherten. Die Artigen, die weiche weiße Kleider und rote Wangen haben, kamen und boten uns herrliche Kuchen und Bonbons an, die sie auf kleinen grünen Tabletts trugen. Es gibt keine Bonbons, die so gut sind wie die, welche uns die Artigen anbieten.
    Mitten auf der Wiese steht ein großer Kochherd. Das ist der Herd, wo die Artigen ihre Bonbons kochen und ihre Kuchen backen.
    Später ritten wir zum Schönsten Tal der Welt. Dorthin darf niemand kommen außer Ylva-li und mir. Dort singen die Blumen, und die Bäume machen Musik. Ein kleiner Bach mit klarem Wasser fließt durch das Tal. Der kann weder singen noch spielen. Aber er murmelt eine Melodie. Niemals habe ich eine schönere Melodie gehört.
    Ylva-li und ich standen auf der Brücke, die über den kleinen Bach führt, und hörten die Blumen singen und die Bäume musizieren und den Bach seine Melodie murmeln. Da packte Ylva-li mit einemmal fest meinen Arm und sagte:
    »Allerliebste Schwester, eins mußt du wissen!«
    In dem Augenblick tat mein Herz furchtbar weh.
    »Nein!« sagte ich. »Ich will nichts wissen.«
    »Doch«, sagte Ylva-li, »doch, eins mußt du wissen.«
    Da hörten die Blumen auf zu singen und die Bäume zu musizieren, und ich konnte die Melodie des Baches nicht mehr hören.
    »Allerliebste Schwester«, sagte Ylva-li leise, »wenn Salikons Rosen welken - werde ich tot sein.«
    Ich sprang auf mein Pferd und ritt davon, und die Tränen liefen mir über die Wangen. Ich ritt, so schnell ich konnte. Ylva-li jagte

    auf ihrem Pferd hinter mir her. Wir ritten so schnell, daß Goldfunken und Silberfunken naß von Schweiß waren, als wir zum Goldenen Saal zurückkamen.
    Nicko hatte uns herrliche Pfannkuchen gemacht. Wir saßen auf dem Fußboden vor dem Kaminfeuer und aßen sie. Ruff und Duff sprangen um uns herum. Unsere Kaninchen kamen ange-hoppelt und wollten auch dabeisein. Schließlich mußte ich nach Hause gehen. Ylva-li brachte mich zur Tür. Wir umarmten uns fest zum Abschied. »Komm bald wieder, Allerliebste Schwester«, sagte Ylva-li.
    Dann ging ich zur Tür hinaus und fort durch den Gang und stieg die Treppe hinauf. Ich hörte, wie Ylva-li mir noch einmal nachrief:
    »Komm bald wieder, Allerliebste Schwester!«
    Als ich ins Kinderzimmer kam, war Mama dort und brachte meinen kleinen Bruder ins Bett. Sie war ganz weiß im Gesicht, und als sie mich sah, legte sie meinen kleinen Bruder schnell hin und lief mir entgegen. Sie nahm mich in die Arme und weinte und sagte:
    »Liebling, wo bist du nur gewesen? Wo bist du den ganzen Tag gewesen?«
    »Hinter dem Rosenbusch«, sagte ich.
    »Gott sei Dank, oh, Gott sei Dank, daß du wieder da bist!« sagte Mama und küßte mich. »Wir haben solche Angst um dich gehabt.« Und dann sagte sie: »Du weißt noch gar nicht, was Papa heute für dich mitgebracht hat.«
    »Nein, was denn?« fragte ich.
    »Sieh mal in deinem Zimmer nach«, sagte Mama.
    Ich lief hin, so schnell ich konnte. Und da, in einem Korb neben meinem Bett, lag ein kleiner schwarzer Pudelwelpe und schlief.
    Er erwachte und sprang auf und bellte. Das war der süßeste Hund, den ich je gesehen hatte. Ja, er war tatsächlich noch süßer als Ruff dort unten im Goldenen Saal. Er war eben lebendiger, das war er.
    »Er gehört dir ganz allein«, sagte Mama.
    Da nahm ich ihn auf meinen Arm, und er bellte und war ganz wild und versuchte, mein Gesicht zu lecken. Ja, er war der süßeste Hund, den ich je gesehen habe.
    »Ruff heißt er«, sagte Mama.
    Das war doch seltsam, nicht?
    Ich hatte Ruff so lieb und war so froh über ihn, daß ich nachts kaum schlafen konnte. Ruff lag in seinem Korb neben meinem Bett.
    Manchmal wimmerte er ein bißchen im
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