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Maenner und andere Fleischwaren

Maenner und andere Fleischwaren

Titel: Maenner und andere Fleischwaren
Autoren: Paula Fabian
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werfen: Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, was man in der Rechtsabteilung eines Zeitschriftenverlages so alles zu tun hat. Also, wenn ich das vorher gewusst hätte (seufzt ziemlich tief) – ich hätte die Finger vom Presserecht gelassen.«
    Ich (ratlos): »Hmm.«
    Nicole: »Und was machst du dann jetzt?«
    Ich (betont selbstbewusst): »Ich arbeite jetzt als Fleischfachverkäuferin.«
    Betretenes Schweigen.
    Bärbel (aufgesetzt): »Das ist ja spannend! Erzähl doch mal!«
    Ich: »Na ja, ich …«
    Nicole (unterbricht mich): »Da fällt mir ein, ich muss euch unbedingt von diesem einen Fall erzählen, das ist wirklich unglaublich! Letzte Woche …«
     
    Na ja, so oder so ähnlich würde sich ein Abend mit meinen Ex-Kommilitoninnen gestalten, das muss ich mir nicht geben. Ich könnte auch ins Kino gehen. Aber: Gibt es irgendetwas, das deprimierender ist, als allein im Kino rumzusitzen?
    Es klingelt an der Tür. Vielleicht ist Bettina ihren Galan schon wieder losgeworden? Seit zehn Minuten ist es oben jedenfalls still. Gut gelaunt eile ich zur Tür, dann wird’s ja vielleicht doch noch was mit einem Zug durch die Gemeinde!
    »’n Abend, Franzi, ich wollte nur mal schnell hallo sagen.«
    Preisfrage an alle: Wer steht wohl auf meiner Fußmatte?
    Ich sitze im Kino in der Spätvorstellung, allein. Das mag zwar deprimierend sein, aber nachdem ich mit Flo zwei Stunden lang eins dieser »Was denkst du denn so«-Gespräche geführt habe, hatte ich das dringende Bedürfnis, unter normale Menschen zu kommen. Keine Ahnung, ob die Menschen, die links und rechts von mir sitzen, normal sind, aber wenigstens labern sie mich nicht voll. Dafür sind sie auch viel zu beschäftigt – das Pärchen zu meiner Linken jedenfalls stellt gerade einen neuen Rekord im Knutsch-Marathon auf. Auch von rechts hört man immer wieder ein verräterisches Schmatzen. Ich versuche, mich auf den Film zu konzentrieren. Links und rechts von mir wird geknutscht? In Ordnung, das macht mir gar nichts. Wenn ich wollte, könnte ich das auch, so ist es ja nicht. Ich hätte zum Beispiel einfach nur Flo mit ins Kino nehmen müssen. Flo oder einen anderen meiner zahllosen Verehrer, jawohl! Plötzlich habe ich Simons Bild vor Augen. Ich schüttle den Kopf, um es zu verscheuchen, aber es verschwindet nicht. So etwas, wo kommt denn das jetzt her? Das Schmatzen links und rechts von mir wird immer lauter, Geräusche von vorn und hinten gesellen sich dazu. Hilfe. Dolby Surround! Ich bin umzingelt von knutschenden Pärchen, und Fleischwurst-Simon grinst mich blöde an. Raus hier , denke ich und springe von meinem Sitz auf. Mittlerweile schmatzt es im ganzen Kino, selbst auf der Leinwand spielt sich gerade eine leidenschaftliche Kussszene ab. Entschuldigungen murmelnd, stolpere ich über die Beine meiner Sitznachbarn hinweg; ich muss an die frische Luft!
    Draußen in der Halle lehne ich mich mit geschlossenen Augen erschöpft gegen die Wand, der Schweiß rinnt mir übers Gesicht. Als ich die Augen wieder öffne, bekomme ich fast einen Schlag: Der Kartenabreißer steht mit der Eisverkäuferin in einer Ecke – und knutscht! Das Mädchen, das mir vorhin mein Ticket verkauft hat, knutscht mit dem Typen hinterm Getränkestand, und auch rechts durch das Fenster zum Vorführraum kann ich einen Blick auf zwei ineinander verschlungene Menschen erhaschen.
    Ich renne raus zu meinem Wagen. Auf dem Weg dorthin komme ich an ungefähr zweitausend händchenhaltenden, küssenden und lachenden Pärchen vorbei. Und alle, alle, alle scheinen mich mitleidig zu mustern. Wie nennt man das? Selektive Wahrnehmung? Oder werde ich langsam wahnsinnig?
     
    ***
     
    »Du hast recht, Bettina, wir versuchen es mit der Anzeige.« Bettina blinzelt mich aus verschlafenen Augen an.
    »Franzi«, antwortet sie mit einem Gähnen, »es ist drei Uhr nachts.«
    Das stimmte; nach meinem Kinobesuch war ich noch ein wenig mit dem Auto durch die Gegend geirrt, bevor ich den Entschluss fasste, Bettinas Vorschlag anzunehmen. Und natürlich hätte ich unmöglich bis morgen warten können, um es ihr mitzuteilen. Wenn ich mich aber mal zu etwas durchringe, muss es auch sofort in die Tat umgesetzt werden. »Ja, klar«, meine ich daher, »aber ich dachte, die Sache ist so wichtig, dass ich noch bei dir klingeln kann.«
    »Komm rein«, gibt Bettina sich geschlagen und schlurft ins Wohnzimmer.
    Nach der dritten Tasse Kaffee ist sie wieder vollkommen wach und bereit, sich der Problematik anzunehmen.
    »Also«, meine ich.
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