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Maenner und andere Fleischwaren

Maenner und andere Fleischwaren

Titel: Maenner und andere Fleischwaren
Autoren: Paula Fabian
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Pubertät diesen Respekt mir gegenüber vermissen ließen, stand auf einem anderen Blatt.
    Und ja: Es sei ihnen verziehen, und ich werde sie nicht aus dem Grab heraus verfolgen, sobald sie selbst einmal hormongesteuerte Kinder haben werden, so wie meine Mutter es immer noch tut. Eine andere Geschichte, vielleicht eine Fortsetzung.
    Und irgendwann kam dann dieser Tag, an welchem ich mich fragte, ob das je besser werden würde. Was würde mich erwarten, wenn dieses kleine Volk, dem ich all meine Nerven und meine Liebe geschenkt hatte, die Koffer packen würde und sich den Herausforderungen der großen weiten Welt vor unserer heimischen – und noch schützenden – Tür stellen wollte? Was würde dann aus mir?
    Die Antwort war so einfach wie schmerzlich: Ich würde dann immer noch hier sitzen und versuchen, etwas darzustellen, was ich nicht war. Denn immer noch würde ich dagegen ankämpfen müssen, dass es mir dann und wann herzlich egal war, was meine Brut so anstellte. Und ich würde sicherlich nicht darauf warten, dass sie mit Koffern voller Dreckwäsche vor meinem Haus standen, um sich, während ich – natürlich – dieser Dreckwäsche den Garaus machen würde, den Wanst an meinem Kühlschrank vollzuschlagen. Ich wollte mir nicht ihren Liebeskummer anhören, verursacht von Menschen, die ich nicht mal dem Namen nach kennen würde, weil niemand die Notwendigkeit sah, mich zu informieren. Ich wollte nicht jene von der Gesellschaft so geforderte Betroffenheit für eine Sache heucheln müssen, die ich nicht ändern konnte, weil sie das Leben an sich bedeutete.
    Ich wollte und konnte nicht an der Seite eines Mannes leben, den ich abgöttisch liebte, aber der irgendwann nicht mehr mit der Tatsache fertig werden würde, dass er nicht mehr der einzige Mann im Leben seiner Tochter sein würde, oder der gar den Respekt seines Sohnes einbüßen musste, weil er statt irgendeiner neuartigen Silikonverbindung bei der Renovierung des Bades eben doch den guten alten Hanfstrang zur Dichtung des Abflusses verwendete – aus gutem Grund. Und Respekt konnte man aus dem geringsten aller Gründe verlieren.
    Ich wollte das alles nicht und ich hatte Angst vor dem, was ich tun und sagen würde, wenn es irgendwann mal so weit wäre. Ich stellte mir ständig die Frage, ob es mir als Mensch nicht mehr zugestanden wurde, zu existieren. Hatte ich bei der Geburt meiner Kinder meine Persönlichkeit und meinen Anspruch auf so elementare Bedürfnisse wie Akzeptanz meiner Wenigkeit einfach abgegeben?
    Dass ich mich hintenanstellte, war in Ordnung. Damit konnte ich umgehen. Nicht jedoch damit, dass ich nicht mehr leben und atmen durfte. Auch stellte ich mir die Frage, ob ich es hinnehmen musste, dass mich mein Mann nicht mehr als die Person ansah, die er damals geheiratet hatte. War ich mit der Unterschrift auf dieser Linie auf der Heiratsurkunde nicht mehr die Frau, die er liebte? War ich nur noch Ehefrau, Mutter, Hausfrau und kostengünstige Geliebte? Weil ich ja da war. Ständig zur Verfügung für alles und nichts. Wo war ich als Person geblieben? Wo war das Individuum hin, das all das erst möglich machte?
    Ich fand keine Antwort, stattdessen überkam mich immer wieder diese Wut, wenn es hieß, das Portemonnaie zu öffnen, um neue Schuhe für das Kindsvolk kaufen zu können. Dann wurde ich wahrgenommen. Dann war ich wer.
    Aber das reichte mir nicht. Dazu war ich mir zu gut. Und dieses Gefühl des Zu-gut-Seins war der allerletzte Hebel meines Selbsterhaltungstriebs. Also musste ich Distanz schaffen. Eine Distanz, die es mir erlaubte, weiterhin gemäßigtes Interesse zu zeigen, um nicht ganz aus der Welt meiner Kinder und meines Gatten zu verschwinden. Die es mir aber ermöglichte, meinem Überlebenstrieb zu frönen.
    Der Therapeut, den ich nach meiner Scheidung – die, wie bereits angemerkt, allgemeines Kopfschütteln in meiner näheren Umgebung verursachte – konsultierte, diagnostizierte aus dem Stegreif eine erhebliche Hormondiskrepanz. Ein tief empfundenes Glücksgefühl durchströmte mich, denn endlich schien ich wenigstens in einem Punkt gesellschaftskonform zu sein.
    Ich zog die Tablettenpackung der Hormonersatztherapie aus meiner Tasche, sah den Mann mir gegenüber scheel an und stand auf. Im Gegensatz zu einigen meiner Geschlechtsgenossinnen war ich mir nämlich durchaus über den Umstand im Klaren, was Hormone mit dem Seelenfrieden anrichten konnten, und hatte mich frühzeitig für die chemische Keule entschieden. Zeit, mich mit
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