Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mädchenhass und Jungenliebe (Junge Liebe )

Mädchenhass und Jungenliebe (Junge Liebe )

Titel: Mädchenhass und Jungenliebe (Junge Liebe )
Autoren: Benjamin Wagner
Vom Netzwerk:
Tag im Freibad.
    Er kam mir näher. Durch die dunkle Sonnenbrille konnte ich nicht allzu gut sehen, also nahm ich sie ab. Kein Zweifel, es war mein Engel, der da immer näher in meine Richtung kam. Er hatte mich noch nicht gesehen und ich war mir nicht sicher, ob ich überhaupt von ihm gesehen werden wollte.
    Es war zu spät, eine Entscheidung zu treffen, denn er sah mich an.
    „Hi!“, sagte ich neutral und freundlich.
    Es kam keine Antwort. Stattdessen drehte er sich schlagartig um und ging in die Richtung, aus der er gekommen war. Er rannte mehr, als dass er ging.
    Diese Sache hatte mir schon genug Verstand geraubt, dass ich es mir nicht leisten konnte, mich noch tiefer darein zu stecken. Wahrscheinlich würde Henning sich mir gegenüber nie wieder normal verhalten können.
       
     
    Nachdem am späten Abend noch ein ordentliches Gewitter runtergekommen war, das mich an das Gewitter in meinem Herzen erinnerte, war der nächste Tag wieder kühler und regnerischer. In Latein hatte ich tatsächlich eine Zwei geschafft, ohne eine Sekunde ernsthaft gelernt zu haben. Englisch hingegen war leider nur eine Vier.
    Nach der letzten Stunde, bis zu der ich es sogar mal ausgehalten hatte, bat mich die Gerling zu einem Gespräch ins Lehrerzimmer.
    „Was ist den jetzt schon wieder los?“, fragte ich sie, vielleicht eine Spur zu unhöflich.
    „Keine Sorge, David. Man will es kaum glauben, aber es ist nicht immer etwas Schlimmes, wenn man dich zu einem Gespräch bittet.“
    Wir setzten uns.
    „David, deine Deutscharbeit ist eine glatte Fünf. Du weißt, dass ich dir somit eigentlich eine Fünf im Zeugnis geben müsste.“
    Ich nickte cool und uninteressiert. Ich wusste nicht, was dieser Scheiß sollte.
    „Ich werde aber aufgrund der Ereignisse der vergangenen Wochen davon absehen und dir eine Vier geben. Ich möchte dich aber noch mal eindringlich darauf  hinweisen, dass es so in der Oberstufe nicht weitergehen kann. Da musst du dein Lernverhalten noch mal gründlich überarbeiten.“
    Ich verstand nur so halb, was sie mir zwischen den Zeilen sagen wollte und fragte deshalb noch mal nach.
    „Heißt das, ich bin versetzt?“
    „David, aber gerade so, ganz knapp. Wir hätten es als Ungerechtigkeit empfunden, wenn dem nicht so gewesen wäre.“
    „Vielen Dank.“
    Ich war erleichtert. Ich hatte alles geschafft, was ich schaffen wollte und das noch nicht mal mit größerem Aufwand. Alles, außer einem.
    Am Telefon erzählte ich meiner Mutter sofort von dem erfolgreich beendeten Schuljahr und feierte dies mit mir selber und einem Bier vom Kiosk.
    Später, zu Hause, legte ich mich auf mein Bett, schloss die Augen und dachte, wenn ich ganz fest dran glaube, liegt Henning gleich neben mir und alles ist gut. Ich öffnete die Augen und war immer noch alleine. Ich war alleine und fühlte mich verlassen, vom Glück, von der Liebe und von der Gerechtigkeit.
    Keine weitere Sekunde konnte ich mich darüber freuen, die zehnte Klasse erfolgreich abgeschlossen zu haben, die mittlere Reife zu haben und nächstes Jahr in die Oberstufe zu kommen.
    Stattdessen bekam ich Angst vor den Sommerferien. Lukas und Christin waren beide zwei Wochen mit ihren Eltern irgendwo im Süden. Den Rest der sechs Wochen werde ich dann wohl mit ihnen verbringen. Was aber wird aus Henning? Ich würde ihn sechs Wochen nicht sehen können. Ich hatte keine Ahnung, was er in den Ferien vorhatte, aber mit mir ganz bestimmt nichts. Sechs Wochen, ohne Henning sehen zu können, das war wie sechs Wochen ohne Luft und Wasser. Das würde ich nicht heil überstehen.
       
     
    Der darauffolgende Mittwoch war der einzige Tag im Jahr, an dem Schüler und Lehrer gut gelaunt in der Schule zu sehen waren. Alle - außer mir. Eine Stunde Unterricht, in der selbstverständlich rein gar nichts mehr lief und dann gab uns die Gerling die Zeugnisse.
    „Der Schüler David Kreutzer wird in die Jahrgangsstufe 11 versetzt“, stand da, wie versprochen. Der Notendurchschnitt selber ließ zu wünschen übrig, aber nächstes Jahr wird alles besser, sagte ich mir schon seit Jahren. Nur diesmal musste ich zum ersten Mal dran zweifeln.
       
     
    Bevor die Gerling uns dann endlich in die verdienten Ferien entließ, verabschiedete sie sich noch von uns - für immer. Sie werde aus gesundheitlichen Gründen in den Vorruhestand gehen, ihr habe der Schuldienst aber all die Jahre große Freude gemacht und so weiter und so fort.
    Ich hörte nicht mehr hin, denn es war mir egal,  was aus den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher