Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Maedchen mit begrenzten Moeglichkeiten

Maedchen mit begrenzten Moeglichkeiten

Titel: Maedchen mit begrenzten Moeglichkeiten
Autoren: Muriel Spark
Vom Netzwerk:
wohl, wieviel Kalorien das sind?»
    Die Tabelle zeigte rund 350 Kalorien an. «Danach gedünstete Kirschen», meinte Jane, «das sind 94 Kalorien bei üblicher Portion, es sei denn, sie sind mit Sacharin gesüßt, in diesem Fall sind’s nur 64. Heute haben wir schon über 1000 Kalorien gehabt. Es ist immer das gleiche sonntags. Allein der Brotpudding war schon …»
    «Ich habe nichts vom Brotpudding gegessen», sagte Anne, «Brotpudding ist schierer Selbstmord.»
    «Ich esse immer nur ganz wenig von allem», sagte Selina. «Aber ich bin tatsächlich immerzu hungrig.»
    «Nun ja, ich muß geistig arbeiten», sagte Jane.
    Anne lief auf dem Flur herum und rieb sich mit einem Schwamm die Margarine ab. «Ich habe all meine Margarine und Seife verbraucht», bemerkte sie.
    «Ich kann dir in diesem Monat keine Seife borgen», sagte Selina. Sie wurde regelmäßig von einem amerikanischen Offizier mit Seife versorgt, die dieser wiederum aus einer Quelle für viele begehrenswerte Dinge bezog, die sich PX nannte. Aber sie hortete neuerdings die Seife und verlieh keine mehr.
    «Ich brauche deine blöde Seife gar nicht. Nur bitte mich nicht um das Taftene – das kann ich dir sagen.»
    Damit war ein Abendkleid aus Taft von Schiaparelli gemeint, das ihr eine sagenhaft reiche Tante nach einmaligem Tragen geschenkt hatte. Alle im obersten Stock, bis auf Jane, der es nicht paßte, partizipierten an diesem Wunder von Kleid, das Aufsehen erregte, wo immer es sich zeigte. Anne verlieh es für verschiedene Gegenleistungen, wie zum Beispiel drei Kleiderabschnitte oder ein halbverbrauchtes Stück Seife.
    Jane ging wieder zu ihrer geistigen Arbeit zurück und schloß die Tür hinter sich mit einem entschiedenen Knall. Sie übte eine recht erhebliche Tyrannei aus mit ihrer ‹geistigen Arbeit› und regte sich auf über die Radios auf der Etage und über die Kleinlichkeit, mit der die Mädchen und Anne um das Taftkleid feilschten, wenn irgend jemand an einer der Parties mit langem Abendkleid teilnehmen wollte, wie sie gerade im Kommen waren.
    «Du kannst es nicht im Milroy tragen. Es war schon zweimal im Milroy … und auch im Quaglino. Selina hat es im Quag getragen, man kennt es nachgerade in ganz London.»
    «Aber es sieht an mir ganz anders aus, Anne. Du kannst meine ganzen Abschnitte für Süßigkeiten dafür haben.»
    «Ich will deine verdammten Süßigkeiten nicht. Ich gebe meine sowieso alle meiner Großmutter.»
    In solchen Augenblicken pflegte Jane den Kopf aus der Tür zu stecken. «Seid doch nicht so kleinlich und hört auf so zu kreischen. Ich muß geistig arbeiten.»
    Jane besaß ein einziges schickes Stück in ihrer Garderobe, ein schwarzes Kostüm, das aus dem Abendanzug ihres Vaters gearbeitet war. Nur wenige Smokings in England behielten nach dem Kriege ihre ursprüngliche Form. Aber die von Jane erbeutete Ausrüstung war allen anderen zu weit und konnte also nicht ausgeliehen werden. Dafür wenigstens war sie dankbar. Worin eigentlich ihre geistige Arbeit bestand, war dem Club ein Rätsel. Wenn man sie danach fragte, rasselte sie eine hastige Erklärung mit vielen außergewöhnlichen und befremdlichen Einzelheiten herunter über Kosten, Drucker, Listen, Manuskripte, Druckfahnen und Verträge.
    «Na, Jane, du solltest aber für all die Überstunden wenigstens bezahlt werden.»
    «Die Welt der Bücher ist ihrem Wesen nach uneigennützig», sagte Jane dann. Sie sprach vom Verlagsgeschäft nie anders als von ‹der Welt der Bücher›. Da sie immer knapp bei Kasse war, mußte man annehmen, daß sie schlecht bezahlt wurde. Weil sie sparsam mit den Shillingen für die Gasuhr in ihrem Zimmer umgehen mußte, konnte sie, so erklärte sie jedem, im Winter keine Diät einhalten, denn man wollte es nicht nur warm haben, sondern auch das Gehirn wollte ernährt werden.
    Ihre geistige Arbeit und ihre Verlagstätigkeit verschafften Jane einen gewissen Respekt im Club, der allerdings auf gesellschaftlicher Ebene wieder aufgehoben wurde durch das fast allwöchentliche Erscheinen eines blassen, dünnen Ausländers, der hoch in den Dreißigern war, Schuppen auf dem dunklen Mantel hatte, im Büro nach Miss Jane Wright fragte und immer hinzufügte: «Ich möchte sie gern privat sprechen.» Vom Büro verbreitete sich auch die Kunde, daß viele Anrufe für Jane von eben diesem Mann kamen.
    «Ist dort der May of Teck Club?»
    «Ja.»
    «Könnte ich bitte Miss Wright privat sprechen?»
    Bei einer solchen Gelegenheit sagte die diensttuende
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher