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Maedchen mit begrenzten Moeglichkeiten

Maedchen mit begrenzten Moeglichkeiten

Titel: Maedchen mit begrenzten Moeglichkeiten
Autoren: Muriel Spark
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jüngsten Mitglieder nur dann durchmachten, wenn ein Freund sie sitzengelassen hatte.
    Im Souterrain waren die Küchen, die Waschküche, die Heizung und der Kohlenkeller untergebracht.
    Das Erdgeschoß enthielt die Verwaltungsbüros, den Speisesaal, den Aufenthaltsraum und den gerade – in einem lehmähnlichen Braun – frisch tapezierten Salon. Die beanstandete Tapete war unglückseligerweise in riesigen Mengen ganz hinten in einem Schrank gefunden worden, sonst wären auch die Wände des Salons so geblieben: grau und schadhaft wie bei allen anderen Leuten.
    Die Freunde der jungen Damen durften für zwei Shilling und sechs Pence als Gäste am Essen teilnehmen. Auch im Aufenthaltsraum durfte man Gäste empfangen, ebenso auf der Terrasse, auf die er hinausführte, und im Salon, dessen lehmbraune Wände die Clubmitglieder damals so sehr an eine Besserungsanstalt erinnerten. Sie konnten ja auch nicht ahnen, daß viele von ihnen nur wenige Jahre später die eigenen Wände in einer ganz ähnlichen Farbe tapezieren würden, die inzwischen schick geworden war.
    Darüber, im ersten Stock, wo in den Tagen privaten Wohlstandes ein riesiger Ballsaal gewesen war, befand sich nun ein ebenso riesiger Schlafsaal. Man hatte ihn durch Vorhänge in mehrere Kabinette aufgeteilt. Hier wohnten die allerjüngsten Mitglieder, Mädchen im Alter von achtzehn bis zwanzig Jahren, die erst kürzlich ähnliche Kabinette überall in den ländlichen Internaten Englands verlassen hatten und sich auf das Leben in Schlafsälen von A bis Z verstanden. Die Mädchen auf dieser Etage waren in Gesprächen über Männer noch nicht so erfahren. Alles drehte sich darum, ob der in Frage stehende Mann ein guter Tänzer war und Sinn für Humor hatte. Die Air Force war Favorit und ein Distinguished Flying Cross war ein besonderes Plus. Bei der Luftschlacht über London dabeigewesen zu sein, ließ einen Mann in den Augen der Schlafsaal-Insassinnen von 1945 älter erscheinen. Auch Dünkirchen war eigentlich mehr eine Angelegenheit ihrer Väter gewesen. Beliebt waren vor allem die Lufthelden, die an der Landung in der Normandie beteiligt waren. Sie waren, wenn sie sich in den Kissen des Wohnzimmers rekelten, alle gastlichen Anstrengungen wert.
    «Kennt ihr die Geschichte von den beiden Katzen, die nach Wimbledon gingen? Also: eine Katze überredete eine andere, mit ihr nach Wimbledon zum Tennis zu gehen. Nach ein paar Sätzen sagte die eine Katze zu der anderen: ‹Ich muß schon sagen, mich langweilt das fürchterlich. Ich kann wirklich nicht verstehen, warum dich dieses Tennisspiel so sehr interessiert!› Die andere Katze sagte darauf: ‹Weißt du, mein Vater steckt in dem Tennisschlägern.›»
    «Neiiin!» kreischten die Mädchen und krümmten sich gebührend vor Lachen.
    «Aber damit ist die Geschichte noch nicht zu Ende. Hinter den beiden Katzen saß nämlich ein Oberst. Er sah sich das Tennisspiel an, weil Krieg war und es daher nichts für ihn zu tun gab. Also, dieser Oberst hatte seinen Hund bei sich. Und als die Katzen sich zu unterhalten begannen, sagte der Hund zum Oberst: ‹Hörst du die beiden Katzen da vor uns?› – ‹Nein, sei still›, sagte der Oberst, ‹ich muß mich auf das Spiel konzentrieren.› – ‹Gut›, meinte der Hund – ein glücklicher Hund übrigens –, ‹ich dachte nur, zwei Katzen, die sprechen können, würden dich vielleicht interessieren!›»
    «Himmlisch, dieser sagenhafte Sinn für Humor!» hieß es später im Schlafsaal in einem Ausbruch von Gezwitscher. Sie waren eher erwachende Vögel, als Mädchen, die zu Bett gehen. Denn: ‹Himmlisch, dieser sagenhafte Sinn für Humor!›, so etwa klang – hätte jemand zugehört – der gemeinsame Cantus der Vögel im Park, fünf Stunden später.
    In der Etage über dem Schlafsaal waren die Zimmer des Personals und die Schlafzimmer derer, die sich zu zweit oder zu viert ein solches an Stelle eines Kabinetts im Schlafsaal leisten konnten. Das waren meist junge Frauen, die nur kurzfristig dablieben oder nur so lange Mitglieder waren, bis sie ein Appartement oder ein Wohnschlafzimmer gefunden hatten. Hier auf der zweiten Etage teilten sich auch Collie und Jarvie, zwei der älteren Jungfern, seit acht Jahren ein Zimmer, denn sie sparten für ihr Alter.
    Aber in der Etage darüber schienen in instinktivem Einverständnis sich die meisten Junggesellinnen zusammengefunden zu haben, die alten Mädchen von gesetztem Charakter und verschiedenem Alter, solche, die sich zum
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