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Maedchen mit begrenzten Moeglichkeiten

Maedchen mit begrenzten Moeglichkeiten

Titel: Maedchen mit begrenzten Moeglichkeiten
Autoren: Muriel Spark
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Junggesellendasein bereits entschlossen hatten und auch solche, die es eines Tages tun würden, sich aber selbst darüber noch nicht im klaren waren.
    Diese dritte Etage hatte einmal aus fünf großen Schlafzimmern bestanden, die inzwischen durch einen Umbau in zehn kleinere aufgeteilt worden waren. Die Bewohnerinnen reichten von hübschen und ein wenig gezierten Jungfrauen, aus denen niemals vollerwachte Frauen würden, bis zu herrischen Endzwanzigerinnen, die wiederum viel zu wach waren, um sich je einem Manne zu ergeben. Greggie, die dritte der älteren Jungfern, hatte hier ihr Zimmer. Von den dort wohnenden Frauen war sie die am wenigsten gezierte und die freundlichste.
    Auf dieser Etage befand sich auch das Zimmer eines verrückten Mädchens, Pauline Fox. Sie pflegte sich an gewissen Abenden sorgfältig zurechtzumachen und ein langes Abendkleid anzuziehen – eine Mode, zu der man in den Jahren unmittelbar nach dem Kriege eilig, wenn auch nur für kurze Zeit, zurückkehrte. Sie trug dazu lange weiße Handschuhe und ihr Haar fiel in langen Locken über ihre Schultern. Sie behauptete, sie diniere an diesen Abenden mit dem berühmten Schauspieler Jack Buchanan. Niemand mißtraute ihr ausgesprochen und so blieb ihre Verrücktheit verborgen.
    Dort war auch Joanna Childes Zimmer. Wenn der Aufenthaltsraum besetzt war, konnte man sie hier deklamieren hören.
     
    Ihr Frühlingsblumen, euren Duft
    Weht ihn herab mir in die Gruft.
     
    Ganz oben im Haus, auf der vierten Etage, hatten die attraktivsten, kultiviertesten und lebhaftesten Mädchen ihre Zimmer. Sie füllten sich, je mehr die Friedenszeit von jedem Besitz ergriff, mehr und mehr mit gesellschaftlichen Sehnsüchten verschiedenster Art. Fünf Mädchen bewohnten die fünf oberen Räume. Drei von ihnen hatten neben Liebhabern feste Freunde, mit denen sie nicht schliefen, die sie aber im Hinblick auf eine mögliche Ehe kultivierten. Von den übrigen zwei war die eine so gut wie verlobt, und die andere war die dickliche Jane Wright, der aber die Tatsache, daß sie in einem Verlag arbeitete, einen intellektuellen Nimbus verlieh. Sie hielt Ausschau nach einem Ehemann, hatte aber währenddessen Umgang mit jungen Intellektuellen.
    Über diesen Zimmern war nur noch das Dach. Man konnte es nicht mehr durch den Ausstieg im Badezimmer erreichen, der jetzt nur noch ein nutzloses Viereck an der Decke war. Er wurde zugemauert, nachdem lange vor dem Kriege ein Mädchen von einem Einbrecher oder einem Liebhaber attackiert – oder vielleicht auch nur überrascht – worden war, der sich von dorther Eintritt verschafft hatte. Manche meinten auch, man habe sie mit ihm im Bett gefunden. Was auch der Fall gewesen sein mochte, um den Eindringling bildete sich die Legende von nächtlichen Schreien, und der Dachausstieg war von da an der Öffentlichkeit verschlossen. Arbeiter, die gelegentlich etwas oben am Haus zu tun hatten, konnten das Dach nur über den Dachboden des benachbarten Hotels erreichen. Greggie behauptete, alles über diese Affäre zu wissen, wie sie überhaupt alles über den Club wußte. Greggie war es auch gewesen, die, von einem Strahl der Erinnerung erleuchtet, die Clubleiterin zu dem tief im Schrank verborgenen Schatz der lehmfarbenen Tapete geführt hatte, die nun die Wände des Salons entweihte und im hellen Sonnenlicht jeden beleidigte. Die Mädchen im obersten Stock hatten schon oft gedacht, daß es sich auf dem flachen Teil des Daches ganz gut sonnenbaden lassen müsse, waren auf Stühle geklettert und hatten versucht, die Fallklappe des Ausstiegs zu öffnen. Aber sie rührte sich nicht, und Greggie hatte ihnen nochmals erzählt, warum. Mit jeder neuen Version der Geschichte übertraf sie die vorige.
    «Wenn Feuer ausbricht, sind wir geliefert», sagte Selina Redwood, die ungewöhnlich schön war.
    «Ihr habt offenbar die Vorschriften für das Verhalten bei Gefahr nicht zur Kenntnis genommen», sagte Greggie. Das stimmte. Selina war zum Abendessen nur selten da und hatte sie daher nie mitbekommen. Viermal im Jahr wurden diese Vorschriften über das Verhalten bei Gefahr von der Leiterin des Clubs nach dem Abendessen laut vorgelesen. An diesen Abenden waren keine Gäste zugelassen. Dem obersten Stock stand die Hintertreppe zur Verfügung, die über zwei Treppenabsätze zum vollkommen sicheren Notausgang führte, und natürlich konnte man sich der Feuerlöschgeräte bedienen, die überall im Club herumlagen. An diesen gästefreien Abenden wurden die Mitglieder auch
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