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Mädchen im Schnee

Mädchen im Schnee

Titel: Mädchen im Schnee
Autoren: N Schulman
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fluchend hackte er mit dem Spaten drauflos.
    Als nur noch ein zehn Zentimeter breiter Spalt blieb, gab er auf. Verärgert bemerkte er, dass er trotz aller Vorsicht große Blutflecken auf der Jacke hatte, sowohl auf der Brust als auch auf den Ärmeln.
    Er warf ein paar Schaufeln Schnee über die Blutlachen an der Hausecke und raffte die Kleider des Mädchens zusammen. Gegen die lange, rosafarbene Spur im Schnee, die bis zur Kellertür führte, konnte er nichts ausrichten. Das war jetzt wenigstens erledigt, dachte er, während er so schnell wie möglich zum Auto zurückstapfte.
    Jetzt war es endlich vorbei.

1
    Magdalena Hansson prostete ihrem Spiegelbild in der dunklen Fensterscheibe zu.
    »Also denn, ein gutes neues Jahr. Ein gutes verdammtes neues Jahr.«
    Sie lächelte ironisch, trank einen Schluck und blickte dann wieder sich selbst in die Augen, als wäre sie auf einem Fest. Dann erstarrte das Lächeln, und sie blieb wie angewurzelt stehen. Das ungewaschene Haar hatte sie zu einem Pferdeschwanz gebunden, damit es sie nicht störte, wenn sie sich über die Umzugskartons beugte. Sogar im Fensterglas waren die Ringe unter ihren Augen und die Farbflecke auf dem alten Trainingsanzug zu sehen.
    Draußen fielen unablässig Schneeflocken, federleicht und so groß wie Kokosmakronen. Magdalena schaltete die Bodenlampe aus, um über den Hof sehen zu können. Der See war nicht zu erkennen, der Steg auch nicht. Hinten an der Grundstücksgrenze stak eine lange Himbeerhecke aus dem Schnee. Zwei Apfelbäume und ein paar Beerensträucher konnte sie auch erkennen, aber sie hatte vergessen, was für Beeren es waren. Als sie den Vertrag für das Haus unterschrieben hatte, war ihr der Sommer so unendlich fern vorgekommen. In jeder Hinsicht.
    Ich muss einen Schneeschieber kaufen, dachte sie. Wenn ich morgen überhaupt noch hier rauskomme!
    Sie schaltete das Licht wieder ein, nahm einen kleinen Schluck vom Wein und stellte das Glas auf dem nächsten erreichbaren Umzugskarton ab.
    Das kleine Ausziehsofa in der Ecke sah verloren aus. Magdalena versuchte, sich einen schlafenden Nils im Spiderman-Schlafanzug vorzustellen, aber es ging nicht. Also fuhr sie fort, Kinderbücher in Regale zu stellen, und bemühte sich, die Gedanken auf einem ruhigen, handhabbaren Niveau zu halten. Sie hatte fast einen ganzen Umzugskarton geleert, als sie auf dem Boden des Kartons das Album aus Hanoi entdeckte.
    Langsam nahm sie es heraus und strich mit der Hand über den wattierten Einband, den sie im ersten Winter genäht hatte, wenn Nils seinen Mittagschlaf hielt. Sie knotete das Stoffband auf und setzte sich auf den Fußboden.
    Da war er, ihr schöner, kleiner Junge. Im gelben Frotteestrampler in einem Gitterbett im Kinderheim, schrecklich weinend im Hotelzimmer in der ersten Nacht und dann, wahrscheinlich völlig ermattet, schlafend, das Himmelfahrtsnäschen an Ludvigs Hals gedrückt.
    Sie bemerkte die Tränen erst, als sie auf eines der Bilder von der Heimreise fielen.
    In dem Augenblick klingelte das Telefon.
    Magdalena fuhr hoch, wischte sich mit dem Pulloverärmel übers Gesicht und lief auf der Suche nach dem schnurlosen Telefon von Zimmer zu Zimmer. Sie fand es schließlich in einem Haufen Post auf dem Küchentisch.
    »Magdalena.«
    »Hallo, Magda, hier ist Gunvor. Gunvor Berglund.«
    »Ja, hallo«, antwortete Magdalena und schluckte gegen die Tränen an. »Wie schön, dich zu hören.«
    »Störe ich dich?«
    »Nein, nein, gar nicht.«
    »Das kommt jetzt vielleicht ein wenig überraschend, aber ich habe gesehen, dass bei dir Licht brennt, und da wollte ich fragen, ob du nicht Lust hast, rüberzukommen. Wo wir jetzt doch Nachbarn sind und so.«
    Magdalena war erstaunt über die Erleichterung, die sie verspürte.
    »Danke, das wäre super. Eigentlich sollte ich natürlich hier ein bisschen Ordnung reinbringen, aber ich komme gern.«
    »Wie schön. Nichts Besonderes, nur wir drei. Übrigens habe ich Bengt zu dir rübergeschickt, damit er ein bisschen Schnee schippt. Allein heute Abend sind über zwanzig Zentimeter Neuschnee gefallen.«
    Magdalena lehnte sich über den Küchentisch und schaute hinaus. Und tatsächlich, auf der langen Garageneinfahrt stand Bengt, die Pudelmütze über die Stirn hoch geschoben. Sie klopfte ans Fenster und bedankte sich pan tomimisch.
    »Dann komm doch so gegen acht Uhr«, meinte Gunvor.
    »Gern, bis dann.«
    Magdalena legte auf, zog einen Küchenstuhl vor und setzte sich.
    »Und es wird gut werden«, sagte sie.
    Diesmal
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