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Maechtig, mutig und genial

Maechtig, mutig und genial

Titel: Maechtig, mutig und genial
Autoren: Eva Karnofsky
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Aztekin vornehmer Abstammung aus Coatzacoalcos. Der nicht ganz gesicherten Überlieferung zufolge war sie von ihrer Mutter an Maya-Händler verkauft worden, um die Erbansprüche ihres jüngeren Halbbruders nicht zu gefährden, und dann mehrfach »weitergereicht« worden. Vielleicht ist diese von einem spanischen Chronisten überlieferte Geschichte auch erfunden oder dramatisiert, andererseits ist diese Art von Menschenhandel in mesoamerikanischen Gesellschaften verbürgt. Sicher ist jedenfalls, dass Malintzin schön, klug und sowohl der Sprache der Maya als auch des Nahua, das in ganz Zentralmexiko gesprochen wurde, mächtig war. Da Cortés zuvor auf einer der Küste vorgelagerten Insel auf Jerónimo de Aguilar gestoßen war, einen spanischen Schiffbrüchigen, der einige Jahre zuvor dort gestrandet war und die Maya-Sprache erlernt hatte, konnte er sich jetzt über die beiden mit den Repräsentanten der indigenen Völker der Region verständigen. Doch Malintzin, oder Malinche, wie die Spanier sie in Abwandlung ihres indigenen Namens nannten, wurde bald weit mehr als nur Dolmetscherin und Unterhändlerin der Eroberer. Durch ihre Kenntnis der aztekischen Gesellschaft wurde sie auch zu einer kulturellen und politischen Vermittlerin. Dies, sowie ihr Verhandlungsgeschick hatte sicherlich einen erheblichen Anteil daran, dass es Cortés gelang, die Unterstützung anderer, von den Azteken abhängiger Stadtstaaten zu bekommen und so schließlich Tenochtitlan, die Hauptstadt des Aztekenreiches, zu erobern. Den Indianern schien Malintzin so mächtig und wichtig, dass sie Cortés häufig nicht direkt, sondern nur indirekt mit »Señor Malinche« anredeten. In zahlreichen aztekischen Bilderhandschriften werden Cortés und Malintzin zusammen in Verhandlungen dargestellt.
    Die Eroberung Mexikos beruhte weitgehend auf der Fähigkeit der Spanier, mit Hilfe von Malinche, die inzwischen auchSpanisch sprach, die Spannungen zwischen dem aztekischen Herrscher und den lokalen Machthabern zu ihren Gunsten auszunutzen. Einige der den Azteken tributpflichtigen Völker schlossen sich den Spaniern an, so dass diese bald über ein schlagkräftiges indianisches Heer verfügen konnten. Im November 1519 zogen sie samt ihren Verbündeten in die aztekische Hauptstadt Tenochtitlan ein. Streitigkeiten unter den Spaniern, die inzwischen Verstärkung aus Kuba erhalten hatten, sowie die allmähliche Erkenntnis der Azteken über die Absichten der Eindringlinge führten einige Monate später zur sogenannten
noche triste
, der traurigen Nacht. In dieser versuchten die Spanier, der gespannten und für sie immer bedrohlicher werdenden Situation durch einen Ausbruch aus der Stadt zu entfliehen. Der Ausbruch gelang, allerdings kamen viele Spanier dabei um. Auch die aztekische Bevölkerung wurde in dieser Zeit stark dezimiert, denn unter ihr wüteten mittlerweile die Pocken und andere europäische Krankheiten, gegen die sie keine Abwehrkräfte besaßen. Daher vermochten sie diese vielleicht letzte Gelegenheit, die Spanier ganz zu vertreiben, nicht zu nutzen. Cortés und Malintzin gelang es auch nach der Vertreibung aus der Stadt, ihre indianischen Verbündeten bei der Stange zu halten, und im Sommer 1521 wurde Tenochtitlan endgültig von den Spaniern eingenommen. Damit war der Fall des Aztekenreiches besiegelt, auch wenn die Eroberung seiner Randgebiete noch einige Jahre in Anspruch nehmen sollte.
    Die Rolle, die Malintzin für die spanische Eroberung spielte, ist seither Gegenstand lebhafter Debatten, und sie ist eng mit dem Selbstverständnis der jeweiligen Epoche und der über sie urteilenden Personen verbunden. Hernán Cortés, der allen Ruhm der Eroberung dieses reichen Imperiums für sich beanspruchte, erwähnt Malintzin in einem seiner Briefe an Kaiser Karl V. nur beiläufig. Einer seiner Soldaten, Bernal Díaz del Castillo, der dagegen auch den Anteil der anderen Teilnehmer betonen wollte, nicht zuletzt, um die entsprechende Belohnungzu erhalten, schildert sie als eine kluge und im christlichen Sinne tugendhafte Frau. Es ist schon bemerkenswert, welchen Anteil er ihr an der Eroberung zuschreibt: »Diese Frau war ein entscheidendes Werkzeug bei unseren Entdeckungsfahrten. Vieles haben wir unter Gottes Beistand nur mit ihrer Hilfe vollbringen können. Ohne sie hätten wir die mexikanische Sprache nicht verstanden, zahlreiche Unternehmungen hätten ohne sie einfach nicht durchgeführt werden können.«
    Bernal Díaz bezeichnet Malintzin in seiner Chronik
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