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Maechtig, mutig und genial

Maechtig, mutig und genial

Titel: Maechtig, mutig und genial
Autoren: Eva Karnofsky
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intelligente, gebildete und selbständig denkende Frauen, zumindest war es ihnen nicht erlaubt, sich öffentlich als solche zu profilieren. Sor Juana ist jedoch auch ein Beweis dafür, dass es in Lateinamerika schon früh Frauen gab, die versucht haben, sich nicht dem herrschenden Frauenbild zu unterwerfen.
    Sie gab damit ein Vorbild ab für Frauen des 19. Jahrhunderts, die zunächst vorwiegend für das Recht auf Bildung eintraten, bevor sie politische Rechte forderten. Das schloss allerdings nicht aus, dass sie während der Unabhängigkeitskämpfe erneut wichtige politische und teilweise sogar militärische Aufgaben übernahmen und die politischen Projekte ihrer Männer unterstützten. Wie groß ihr politischer Einfluss dabei war, ist oft schwer einzuschätzen. So gilt vielen Historikern und Historikerinnen die Ehefrau des brasilianischen Kaisers Pedro I., Leopoldine von Habsburg, als die treibende Kraft hinter derUnabhängigkeitserklärung. Auch der wichtigste Anführer der Unabhängigkeitskämpfer, der Venezolaner Simón Bolívar, hatte eine Frau an seiner Seite, die seine politischen Ziele teilte und tatkräftig förderte. Manuela Sáenz kämpfte und organisierte an der Seite ihres Lebensgefährten das Heer, wie zuvor schon einige Frauen in der Conquista. Wie sie gab es viele, so zum Beispiel Rosa Campuzano oder Brígida Silva de Ochoa, die dem Helden der Unabhängigkeit im Süden des Kontinents, José de San Martín, wertvolle Dienste leisteten und dafür mit einem Orden ausgezeichnet wurden. Oder auch Juana Azurduy, die zusammen mit ihrem Mann in der Gegend des heutigen Bolivien die indigene Bevölkerung für die Unabhängigkeitsbewegung mobilisierte und militärisch trainierte.
    Doch nach der Unabhängigkeit versuchten die Staaten wieder so schnell wie möglich, zur tradierten Ordnung der Geschlechter zurückzukehren. Die »Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit« der neuen Republiken galt eben nicht für die »Schwestern«. Doch dies war ja in Europa nicht anders, und die wenigen Frauen, die in der Französischen Revolution volle Staatsbürgerrechte für den weiblichen Teil der Bevölkerung forderten, wurden auch dort marginalisiert oder landeten gar, wie Olympe de Gouges, unter der Guillotine. In Lateinamerika forderte zunächst keine einzige Frau eine offizielle Beteiligung an der Macht oder die Gewährung politischer Rechte. Dies hieß aber nicht, dass sie sich als Lehrerinnen, Dichterinnen oder Ehefrauen nicht politisch äußerten. Manche von ihnen wurden zu wahren Statthalterinnen ihrer Männer, wie z. B. Encarnación Ezcurra, die Frau des argentinischen Diktators Juan Manuel de Rosas. Bis zu ihrem Tod 1838 hielt Encarnación in Buenos Aires die Stellung, wenn er auf einem Feldzug oder seinen Landgütern weilte. Sie mobilisierte seine Anhänger, pflegte das Klientelnetz und profilierte sich als unnachgiebige Verteidigerin der Interessen ihres Mannes. Fast glaubt man, Evita Perón habe sich Encarnación Ezcurra zum Vorbild genommen.
DIE ERLANGUNG POLITISCHER RECHTE UND ÄMTER
    Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts veränderten sich die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse in den meisten lateinamerikanischen Staaten. Wirtschaftliche Modernisierung und die massive Einwanderung von Europäern führten vor allem in den Staaten des
Cono Sur
, aber auch in Mexiko zu gesellschaftlichen Veränderungen. Viele Frauen der unteren Schichten waren nun gezwungen, durch Arbeit in Fabriken zum Lebensunterhalt der Familie beizutragen, diejenigen der Mittelschicht hingegen zog es vor allem in neue »weibliche« Berufe wie Lehrerin, Telefonistin oder Stenotypistin. Auch ließen viele Universitäten in Lateinamerika Frauen bereits um 1900 zum Studium zu, in Deutschland erfolgte dies erst nach dem Ersten Weltkrieg. So veränderten sich allmählich der Lebensraum und die Lebensweise der Frauen, und es dauerte nicht lange, bis in Mexiko, Argentinien, Chile oder Brasilien erste Stimmen laut wurden, die volle politische Rechte forderten. In vielen lateinamerikanischen Staaten entstand zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine aktive Frauenbewegung. Ärztinnen wie Cecilia Grierson, Alicia Moreau und Julieta Lanteri in Argentinien, Paulina Luisi in Uruguay, Lehrerinnen wie Amanda Labarca und Gabriela Mistral in Chile oder die Biologin Bertha Lutz in Brasilien engagierten sich für eine Gleichstellung der Frauen in allen gesellschaftlichen Bereichen, auch in der Politik. In manchen Ländern war der Kampf erfolgreich, so
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