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Maechtig, mutig und genial

Maechtig, mutig und genial

Titel: Maechtig, mutig und genial
Autoren: Eva Karnofsky
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außergewöhnliche Züge trug, zeigt es uns doch die Möglichkeiten und die Grenzen, die für adlige indigene Frauen in den unruhigen Zeiten der Eroberung und Etablierung der Kolonialherrschaft zu Beginn des 16. Jahrhunderts bestanden.
    Wann genau Quispe Çiça geboren wurde, wissen wir nicht, aber es muss um 1520 gewesen sein. Ihr Vater war der letzte unumstrittene Herrscher des Inkareiches, Guayna Capac, ihre Mutter Condorguacho gehörte ebenfalls zum inkaischen Adel, sie stammte aus der Provinz Guaylas in Zentralperu. Die Inka hatten ihre Herrschaft erst seit Anfang/Mitte des 15. Jahrhunderts immer weiter ausgedehnt, indem sie andere Völker tributpflichtig gemacht, aber auch durch Heiratsbeziehungenund Umsiedlungen an sich gebunden hatten. Vermutlich war auch die Ehe zwischen Guayna Capac und Condorguacho aus diesem Grund geschlossen worden. Allerdings war sie nicht seine Hauptfrau, deren Söhne die eigentlichen Erben des Imperiums sein sollten. Quispe Çiça wurde in der Region des heutigen Ecuador geboren, wo ihr Vater versuchte, die dortigen Völker zu unterwerfen. Als ihm dies endlich gelungen war, kündigte sich, unbemerkt von den Inka, die Katastrophe der spanischen Eroberung an. Noch vor den Soldaten erreichten europäische Krankheiten, gegen die die Indigenen Amerikas keine Abwehrkräfte besaßen, die Anden. Tausende starben, unter ihnen auch der Herrscher Guayna Capac. Sein Leichnam wurde mumifiziert und in die Hauptstadt Cuzco überführt, doch Condorguacho trennte sich von dem feierlichen Leichenzug als dieser durch ihre Heimatprovinz zog. Eine solche Eigenmächtigkeit war ungewöhnlich, erklärt sich aber vermutlich dadurch, dass Condorguacho die Herrschaft in ihrer Heimatregion von ihrem Vater erbte, denn unter bestimmten Umständen und bei einigen Völkern konnten auch Frauen diese Funktion übernehmen. Quispe Çiça wuchs also im Haushalt ihrer Mutter in deren Heimatprovinz Guaylas in Zentralperu vermutlich relativ ruhig und behütet auf, während die männlichen Erben der Inkadynastie begannen, über die ungeklärte Nachfolge Guayna Capacs zu streiten. Im November 1532, als Francisco Pizarro zusammen mit 168 Spaniern im Norden Perus landete, war der Bruderkrieg zwischen den beiden Hauptthronanwärtern zwar zugunsten von Atahualpa entschieden, doch noch nicht wirklich beigelegt. Pizarro überrumpelte die Inkas, setzte den Herrscher in Cajamarca gefangen und ließ aus allen Teilen des Landes Lösegeld heranschaffen. Atahualpa musste zudem fürchten, dass die Spanier zugunsten seines Rivalen Guascar in die Thronstreitigkeiten eingreifen würden, so dass er aus der Gefangenschaft heraus den Befehl gab, seinen Halbbruder Guascar zu ermorden. Doch damit heizte er die Auseinandersetzungen zwischen seinenund dessen Anhängern eher weiter an. Gleichzeitig bemühte er sich aber auch um Annäherung an die Spanier. Ein probates Mittel zur Herstellung von Allianzen oder zumindest Gewogenheiten sowohl in der inkaischen als auch in der europäischen Politik war es, Verwandtschaftsbeziehungen zu schaffen. Daher ließ Atahualpa seine Halbschwester Quispe Çiça, die entweder noch in Guaylas oder in der Hauptstadt des Imperiums, in Cuzco, lebte, in den Norden kommen und übergab sie Pizarro. In welcher Form dies geschah, wissen wir nicht genau, doch dürfte Pizarro die Geste durchaus verstanden haben.
    Arrangierte Heiraten waren auch in der Inkadynastie die Regel, so dass dies für Quispe Çiça nichts Ungewöhnliches war, doch erschwerten bei Pizarro die kulturelle Differenz und ein erheblicher Altersunterschied die Beziehung. Pizarro war mit 55 Jahren der älteste Teilnehmer der Eroberung, während Quispe Çiça gerade mal 13 oder 14 Jahre alt war. Aus Quispe Çiça wurde Inés, doch Francisco Pizarro, der selbst nichtehelicher Herkunft war, kam nicht in den Sinn, die junge Inkafrau zu heiraten. Was es bedeutete, die Geliebte und nicht die rechtmäßige Ehefrau eines Spaniers zu sein, wurde Inés vermutlich erst im Laufe der Jahre richtig klar. Allerdings kannte man auch in Spanien vor dem Tridentinischen Konzil noch eine Reihe von nicht kirchlich abgesegneten Lebenspartnerschaften, und zumindest behandelte Pizarro seine junge Gefährtin gut.
    Weder die Halbschwester noch das Lösegeld konnten allerdings Atahualpa retten; die Spanier ließen ihn 1533 hinrichten, ernannten einen Nachfolger und machten sich auf den Weg in das Zentrum des Inkareiches, Cuzco. Auf dem Weg dorthin gründeten sie in den Zentralanden die
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