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Maechtig, mutig und genial

Maechtig, mutig und genial

Titel: Maechtig, mutig und genial
Autoren: Eva Karnofsky
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ehrfurchtsvoll als Doña Marina, denn dies war der Name, den die Spanier ihr bei ihrer Taufe gegeben hatten, doch bei der Truppe nannten alle sie Malinche. Sie war inzwischen die Geliebte des Anführers geworden, dem sie 1522 einen Sohn gebar. Dieser gilt in Mexiko als der erste Mestize, auch wenn dies eher symbolisch zu sehen ist, denn nach drei Jahren spanischer Präsenz und Eroberung gab es schon Hunderte von Mestizen in Mexiko. Cortés nannte den Sohn nach seinem Vater, Martín, und ließ ihn 1527 offiziell anerkennen.
    Hernán Cortés war bislang kinderlos geblieben, obwohl er auf Kuba, wie man sagte, gegen seinen Willen, die Spanierin Doña Catalina Suarez geehelicht hatte. Diese kündigte nun, ziemlich genau zum Zeitpunkt der Geburt des Sohnes von Malinche und Cortés, an, nach Mexiko zu kommen, allerdings starb sie kurz nach ihrer Ankunft an einem Herzanfall. Ob dabei jemand nachgeholfen hat, lässt sich nicht klären. Cortés dachte jedenfalls bei aller Wertschätzung für Malintzin nicht daran, seine indigene Lebensgefährtin, die ihren eigenen Haushalt führte, zu heiraten. Die Eroberung hatte ihn zu einem reichen und mächtigen Mann gemacht, der seinen gesellschaftlichen Aufstieg nun durch eine Eheschließung mit einer Frau aus dem kastilischen Hochadel besiegeln wollte. Zwar brachte auch die Heirat mit einer indigenen Frau höheren Ranges ein gewisses Prestige mit sich, doch dies war eher angemessen für einen der Offiziere seiner Truppe. Und tatsächlich heiratete Malinche 1524 einen von Cortés’ Gefolgsleuten derersten Stunde, Juan Jaramillo. Über die Motive können wir nur spekulieren. Die meisten Historiker sind der Auffassung, Cortés sei seiner Geliebten überdrüssig geworden, und ihr sei nichts anderes übriggeblieben, als sich seinem Vorschlag, Jaramillo zu heiraten, zu fügen. Aber man kann die Sache auch anders sehen: Malintzin tauschte die unsichere Stellung einer Mätresse gegen die abgesicherte einer Ehefrau eines mächtigen Eroberers, wenn auch nicht des mächtigsten. Und sie ließ sich von Cortés eine ordentliche Mitgift schenken: eine Zuteilung indianischer Arbeitsdienste
(encomienda)
, eine Anerkennung, die zu diesem Zeitpunkt nur einigen Konquistadoren und drei einheimischen Männern zuteil geworden war. Malintzin erhielt die
encomienda
genau in der Region, aus der sie ursprünglich stammte und in die sie zu eben diesem Zeitpunkt gerade wieder aufbrach, denn Cortés benötigte ihre Hilfe, um nach Zentralamerika zu ziehen und einen abtrünnigen Konquistadoren zu bekämpfen. Vielleicht war es also, wie die Historikerin Camilla Townsend vermutet, sogar Malinches Wunsch gewesen, zu heiraten und auf diese Weise eine solide gesellschaftliche und finanzielle Absicherung zu erhalten. Denn wie lange ihr Protektor Cortés noch leben und sie schützen könnte, war in diesen Zeiten äußerst ungewiss. Überliefert ist nur, dass Malintzin unmittelbar nach ihrer Eheschließung mit auf die strapaziöse Expedition nach Honduras ging und dort ihre Tochter mit Juan Jaramillo, María, geboren wurde.
    Zurück in Mexiko-Stadt etablierte sich die neue Familie in einem der Stadthäuser und lebte zumindest ein materiell abgesichertes Leben. Wie Malintzin darüber hinaus ihre neue Situation als Ehefrau eines spanischen Konquistadoren empfand, wissen wir nicht. Ihr Sohn Martín lebte in der Nähe im Haushalt eines Cousins von Hernán Cortés, bis dieser 1528 nach Spanien zurückging und seinen Sohn mitnahm, um ihn in die spanische Gesellschaft einzuführen. Wenige Monate später, Anfang 1529, starb Malintzin / Doña Marina, vermutlich an den Folgen einer der vielen europäischen Krankheiten, die jetztin Mexiko grassierten. Darauf deuten zumindest die meisten Quellen hin, auch wenn einige ein späteres Datum angeben.
    In den folgenden Jahrhunderten interessierte sich kaum jemand mehr für das Schicksal dieser indigenen Frau, bis die Unabhängigkeit Mexikos zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Frage nach der nationalen Identität und damit den historischen Wurzeln aufwarf. Um sich vom ehemaligen Mutterland Spanien abzugrenzen, besannen sich die mehrheitlich europäisch-stämmigen mexikanischen Eliten auf die glorreiche Vergangenheit der Azteken, und Malinche wurde plötzlich zu einer Verräterin. In diesem Interpretationsrahmen wird sie manchmal gar zu einer selbstsüchtigen, lüsternen Hure, der Eigennutz über das Wohl ihres Volkes ging. Ein moderner Autor bezeichnete Malinche als die »meistgehasste Frau
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