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Madonna

Madonna

Titel: Madonna
Autoren: Kathrin Lange
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ziehen und es diesem Monster in Menschengestalt in den Leib zu stoßen, war übermächtig, sodass er die Klinge schon halb aus der Scheide gezogen hatte, bevor er sich besann und mitten in der Bewegung erstarrte.
    »Richard!« Arnulfs Hand legte sich auf seinen Unterarm. »Lass gut sein!«
    Es kostete Richard große Anstrengung, das Schwert zurückzustoßen und den Griff loszulassen. »Ihr werdet Eure gerechte Strafe erhalten«, sagte er kalt. »Wenn nicht in dieser Welt, dann in der nächsten.« Mit einer harschen Bewegung wandte er sich um und stiefelte die schmale Treppe nach unten.
    Draußen auf dem Platz vor dem Turm blieb er stehen. Er fühlte sich, als habe jemand ihn wie einen nassen Lappen ausgewrungen.
    Arnulf trat neben ihn, hielt sein Gesicht in die tiefstehende Novembersonne und ließ sie einen Augenblick auf sich wirken. Richard wusste, dass auch ihm dieses Treffen nahegegangen war. »Wir haben die letzten Fragen beantwortet bekommen«, sagte er leise. »Niklas wird froh sein.«
    »Gut!« Richard holte tief Luft. Er fühlte sich besudelt und gereinigt zugleich.
    Eine schlanke Gestalt näherte sich über die steile Burgstraße, und schon von weitem winkte sie ihnen aufgeregt zu. Ein großer, roter Hund rannte hechelnd neben ihr her.
    »Jonas!«, sagte Arnulf.
    Keuchend blieb der Junge vor ihnen stehen. »Dr. Schedel schickt mich«, japste er. »Ich soll euch sagen, Katharina ist aufgewacht.«
    Zwei Monate später
    »Warte doch, ich helfe dir!« Richard eilte herbei und nahm Katharina die Tasche ab, die sie auf den Karren hatte heben wollen. »Du weißt genau, dass du noch nicht so schwer tragen darfst!« Vorwurfsvoll und besorgt sah er sie an.
    Sie senkte den Kopf. »Muss ich mir jetzt für den Rest meines Lebens von dir Vorschriften machen lassen?«, fragte sie mit einem leichten Lächeln. Insgeheim war sie ihm dankbar, denn die Narbe schmerzte doch noch sehr.
    Er grinste breit. »Selbstverständlich, Weib!«, sagte er mit tiefer Stimme. »So gehört es ich nun mal für eine Ehefrau!«
    Als Katharina eben etwas erwidern wollte, bog eine hochgewachseneGestalt in schwarzer Kleidung um die Ecke der Tuchgasse und kam auf sie zu. Es war Georg Öllinger.
    Neben dem Karren blieb er stehen, betrachtete die Kisten und Möbel, die sich bereits darauf befanden und anzeigten, dass Katharina und Richard vorhatten, die Stadt zu verlassen. Ein trauriger Schatten flog über sein Gesicht, verging jedoch sofort wieder. »Frau Sterner!« Er neigte den Kopf. »Ihr seht von Tag zu Tag gesünder aus.«
    Sie lächelte ihm zu. »Danke.« Als sie ihm gesagt hatte, dass sie seinen Heiratsantrag nicht annehmen könne, weil sie Richard heiraten würde, war ihm die Nachricht sehr zu Herzen gegangen. Aber noch bevor sie vor den Altar getreten und Frau Sterner geworden war, war er zu ihr gekommen und hatte ihr versichert, dass er sich für sie freue. Jetzt, hier neben dem Karren, konnte sie die Frage in seinen Augen lesen, die ihn hergetrieben hatte.
    Seid Ihr glücklich?
    Sie war es. Nachdem sie so weit genesen war, dass sie aus eigener Kraft wieder laufen konnte, hatte sie als Erstes das Grab ihrer Mutter besucht und Abschied von ihr genommen. Richard hatte sie dabei begleitet, und er hatte sie gehalten, als ihr die Tränen wie Sturzbäche über das Gesicht geflossen waren.
    »Sie hat nicht gelitten«, hatte er leise zu ihr gesagt.
    Sie schaute zu ihm auf. Ein leichter Wind fuhr in die Büsche am Rand des Friedhofs. Matthias’ Grab lag ganz in der Nähe. »All die Jahre, die wir uns gestritten haben«, murmelte sie. Ihr Herz zog sich zusammen vor Schmerz über all die verpassten Gelegenheiten für ein freundliches Wort, eine liebevolle Geste. Vor langer Zeit hatte ihre Mutter sie beschützt wie eine Löwin ihr Junges. Ihretwegen war sie zur Mörderin geworden, und sie hatte all die Jahre geschwiegen und stumm darunter gelitten. Katharina vermochte kaum, sich vorzustellen, wie oft ihre Mutter diese Tat bereut hatte, wenn sie sie wieder einmal grob behandelt hatte.
    »Wenn ich nur früher davon erfahren hätte, was sie für mich getan hat«, sagte sie.
    Richard gab ihr einen Kuss auf den Kopf. »Es wird heilen.«
    In den Tagen danach hatte sie viel geweint, doch die Tränen hatten mit der Zeit den Schmerz in einen dumpfen Druck verwandelt, und heute konnte sie hoffen, dieser würde ebenfalls noch vergehen.
    »Ja«, beantwortete sie nun Öllingers unausgesprochene Frage. »Ich bin jetzt glücklich.« Sie blickte den Apotheker an, und
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