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Made in Germany

Made in Germany

Titel: Made in Germany
Autoren: Kaya Yanar
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Dorf-Disco war, der weiß, was das bedeutet!
    Da hatten wir Stadt-Kids es wesentlich besser. Wenn ich mit meinen besten Kumpels Hakan, Ranjid und Francesco unterwegs war, dann konnten wir alle reinhauen, wie wir wollten, denn für den Rückweg boten sich gleich drei verschiedene Verkehrsmittel an: Fahrrad, Bahn und Taxi.

    Für Männer, die Frauen suchen und die in Discos nicht fündig werden, gibt es in Frankfurt eine ganze Reihe von mehr oder weniger reizvollen Alternativen. Wie jede Messestadt hat auch Frankfurt in der Nähe des Hauptbahnhofs ein großes und höchst lebendiges Rotlichtviertel. Für einen jungen Mann in der Pubertät hat so ein Viertel natürlich eine besonders magische Anziehungskraft. Hin und wieder bin ich als 16- oder 17-Jähriger durch die entsprechenden Straßen geschlichen, den Blick starr nach vorn gerichtet, und habe versucht, aus dem Augenwinkel die eine oder andere Bordsteinschönheit zu betrachten. Aber natürlich galt für mich das gleiche Motto wie damals vor dem Kaufhof-Weihnachtsschaufenster mit der großen, motorbetriebenen Steiff-Tier-Wunder-Winter-Welt: Nur gucken, nicht anfassen!
    Ein paar Jahre später habe ich mich tatsächlich einmal in ein Bordell getraut: Ich war im „Kontakthof” in Frankfurt. Einmal. Und nie wieder! Ich war mit ein paar Kumpels unterwegs gewesen. Wir hatten irgendetwas zu feiern, hatten im Casino 400 Mark gewonnen und sagten uns tollkühn: Die Kohle hauen wir im Puff auf den Kopf! So bin ich in den „Kontakthof” gekommen.

    Das Bordell war sehr klug organisiert: Auf der ersten Etage waren die Polinnen, und dann kamen auf der nächsten Etage die deutschen Frauen. Im nächsten Stockwerk waren die anderen Europäerinnen untergebracht, die Asiatinnen hatten eine Etage für sich, und ganz oben gab es die „Black Mambas”, dicke schwarze Frauen, die mir einen Heidenrespekt einflößten. Sie sahen aus, als könnten sie mit einer Hand ein Klavier tragen, aber Sex habe ich dann doch lieber mit Frauen, die mich nach dem Geschlechtsakt nicht sofort zerquetschen.
    Das Clevere war, dass man als Gast an allen Zimmern vorbeimusste. Es ging immer so:
    Gang, Frauen, Frauen, Frauen, Frauen, Frauen, Frauen, Frauen, Treppe.
    Gang, Frauen, Frauen, Frauen, Frauen, Frauen, Frauen, Frauen, Treppe.
    Gang, Frauen, Frauen, Frauen, Frauen, Frauen, Frauen, Frauen, Treppe.
    Es gab keine Abkürzungen, keine Alternativrouten, keine Ausstiegsmöglichkeiten. Und als ich oben angekommen war, stellte ich erschrocken fest, dass ich nicht einfach wieder runterkam: Es war eine Sackgasse. Ich musste den gleichen Weg wieder zurückgehen:
    Treppe, Frauen, Frauen, Frauen, Frauen, Frauen, Frauen, Frauen, Gang.
    Treppe, Frauen, Frauen, Frauen, Frauen, Frauen, Frauen, Frauen, Gang.
    Treppe, Frauen, Frauen, Frauen, Frauen, Frauen, Frauen, Frauen, Gang.
    Das ist wie eine Falle, in die man reinläuft und alleine nicht wieder rauskommt. Ob ich wollte oder nicht: Ich musste an allen Frauen zweimal vorbei! Das ist der
alte Ikea-Trick: Man will eigentlich nur einen Sack Teelichter kaufen und geht raus mit einer Einbauküche, neuen Vorhängen und einem Hochbett!
    Bei mir hat der Trick allerdings nicht funktioniert. Ich habe mich nicht getraut. Ich konnte es nicht. Ehrlich. Ich schwöre es: Ich konnte es damals nicht, und ich kann es heute immer noch nicht. Ich habe noch nie dafür bezahlt. Und während meine Kumpels mit offenen Hosen und zwei, drei Mädels in den Zimmern verschwanden, stand ich noch auf dem Gang: komplett angezogen, in Krawatte und Anzug und mit einem tierisch unguten Gefühl im Bauch!

    Es waren nicht die Frauen, die mich beunruhigten, sie versuchten ja nur, ihren Job so gut wie möglich zu machen. Es waren die Typen, die mir Angst machten: deutsche, notgeile Familienväter, auf deren Autoheckscheiben „Laura an Bord” klebte; hormonüberfütterte Italiener, die bei jeder Frau wie eine Schlange züngelten und sabbernd fragten: „Quanto costa?”; türkische Halbstarke, die versuchten, mit den Damen wie auf einem Basar zu handeln: „Passt du auf: Machen wir zehn Euro billiger, dafür gebe ich dir eine Tüte Pistazien umsonst dazu, und beim nächsten Mal meine besten Kumpels mit!”
    Darum kann ich im Puff keinen Spaß haben. Es ist nicht wegen der Frauen. Es ist wegen der Typen, die da rumlaufen. Die törnen mich total ab. Ich bin keiner von denen, ich brauche das nicht. Die einzige Frau, der ich Geld bezahle, ist die Politesse, die mich immer beim Falschparken erwischt. Es gibt
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