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MacTiger - Ein Highlander auf Samtpfoten

MacTiger - Ein Highlander auf Samtpfoten

Titel: MacTiger - Ein Highlander auf Samtpfoten
Autoren: Andrea Schacht
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und warf mir einen ungnädigen Blick zu. Mit einer Hand schob sie etwas unter die Bettdecke.
    »Was willst du denn hier? Ich war gerade ein wenig eingedöst.«
    »Entschuldige. Ich wollte nur sehen, ob du noch etwas brauchst.«
    »Das fällt dir reichlich spät ein. Mir hätte in den letzten Stunden wer weiß was passieren können.«
    »Vorhin wolltest du etwas schlafen. Darum habe ich gedacht, ich könne schnell essen gehen.«
    »Und ich? Soll ich verhungern?«
    »Hat sich dein Magen denn wieder beruhigt?«
    »Mein Magen ist immer ruhig.«
    »Ja, Tante Henrietta.«
    Sie rutschte in eine halb aufgerichtete Position und grollte: »Geh in die Küche und schau, ob die ein Tablett für mich richten können. Und dann bringst du es selbst her. In diesem Zustand soll mich keiner von diesen Ausländern sehen.«
    »Ja, Tante Henrietta.«
    Durch die düsteren Gänge suchte ich meinen Weg zur Rezeption. Ich wollte vermeiden, noch einmal den anderen Gästen in die Quere zu kommen. Die junge Frau dort war erstaunlich hilfsbereit, und anschließend wankte ich mit einem schweren Tablett, beladen mit einer Tasse Brühe, Brot, etwas kaltem Hühnerfleisch und einer Kanne Tee, in Richtung Zimmer. Dank erhielt ich keinen dafür, nur noch ein paar grantige Bemerkungen, und das brachte das Fass zum Überlaufen.
    Als ich meine Blutsverwandte verließ, hatte mich der Fluchtgedanke gepackt.

Wege in der Dämmerung
    Kurz darauf war ich auf einem steinigen Pfad unterwegs. Er führte vom Hotel aus neben der Straße entlang, die wir heute Nachmittag hinuntergefahren waren. Eine furchtbare Strecke für einen Bus. Eng und kurvenreich. Aber das hatte ich alles noch einigermaßen ertragen. Erst als wir diese schmale Steinbrücke überquerten, zwischen deren Brüstungen der Bus gerade je einen Zentimeter Platz hatte, hatte ich es mit der Angst zu tun bekommen. Ich sah uns schon in den schäumenden Fluss stürzen, der sich darunter zum Loch Naw hin ergoss. Eine Vorstellung, die mich schon immer erschauern ließ.
    Auf dem rauen Feldweg jedoch sah das alles viel weniger bedrohlich aus. Und vor allem der wunderbar frische, saubere Wind, der von den Bergen jenseits des Loch Naw hinunterwehte, füllte meine Stadtluft gewöhnten Lungen mit prickelndem Atem. Es war bewölkt, aber am Horizont leuchteten dennoch die Ränder der grauen Wolken in glühendem Abendrot auf. Es war lange hell hier im Norden, vor allem Anfang Juni.
    Ich drehte mich noch einmal zum Schloss um. Es lag vor dieser gewaltigen Gebirgskulisse auf einer Felsplatte, die halb in den Loch Naw hineinragte. Aus grauem Granit gebaut, trotzte es dem wilden Land, das es umgab. Dahinter spiegelte der lang gestreckte See die feurigen Wolken wider, und die hoch aufragenden Berge verdunkelten den Horizont.
    Der Pfad wandte sich von dem Verlauf der Straße ab und führte zum Fluss hinunter. Heidekraut säumte seine Ufer, braun noch vom Vorjahr, doch schon mit einzelnen grünen Trieben durchsetzt. Der Boden war steinig, unter der mageren Erdschicht brach immer wieder das nackte Felsgestein hervor. Eine flache Gesteinsscholle verführte mich zum Hinaufklettern. Sie war einigermaßen eben und bescherte mir einen herrlichen Blick über die Mündung des Uykel auf der einen und den schäumenden Flusslauf auf der anderen Seite. Der Stein war noch warm vom Sonnenschein, darum faltete ich die Jacke zusammen, die ich mitgenommen hatte, setzte mich darauf und genoss die Einsamkeit.
    Die Wolken hatten sich aufgelöst, und die ersten Sterne wurden am dunkler werdenden Himmel sichtbar und spiegelten sich in dem lang gestreckten See vor mir. Die Vögel stellten nach und nach ihren Gesang ein, und nur das Rauschen des Wassers war zu hören, das in schnellem, schäumendem Lauf von den Bergen strömte. Das Schlosshotel erschien nur noch als eine graue Silhouette, in der ein Fenster nach dem anderen golden aufleuchtete.
    Die Mitglieder der Reisegesellschaft würden allmählich zu Bett gehen, nahm ich an. Morgen stand ein hartes Besichtigungsprogramm auf dem Plan.
    Mich fröstelte ein wenig, aber ich war zu träge, mir die Jacke anzuziehen. Das Geräusch von sich nähernden Schritten schreckte mich jedoch auf.
    »Keine Angst, junge Frrrau, ich tue Euch nichts.«
    Eine seltsame Gestalt stand an dem Felsenrand und sah zu mir herauf. Ein Mann, alt, soweit ich es erkennen konnte, mit grauem Haar und einem weißen Bart. Das Erstaunliche an ihm war sein Gewand. Er trug einen langen, dunklen Umhang, der in der Mitte mit einem
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