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MacTiger - Ein Highlander auf Samtpfoten

MacTiger - Ein Highlander auf Samtpfoten

Titel: MacTiger - Ein Highlander auf Samtpfoten
Autoren: Andrea Schacht
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Ledergürtel zusammengehalten war. Im ersten Moment dachte ich an einen Mönch, aber mit einer kleinen Verneigung an die alte schottische Kultur deklarierte ich ihn zu einem Abkömmling der letzten Druiden. Eindeutig aber war er ein Bewohner der hiesigen Gegend, denn so ein prächtig rollendes Rrrr bekamen nur die Highlander über die Lippen. Ein Original zumindest. Ich nickte ihm freundlich zu, er lehnte weiter an den Felsen und schaute wie ich über den See hinaus. Dann lächelte er mich an.
    »Ihr seid zu Gast in Drumnadruid Castle?«
    »Ja, heute eingetroffen.«
    »Und schon habt Ihr die Stelle gefunden, wo in manchen Nächten das Schöne Volk tanzt.«
    Ein Original, tatsächlich, schloss ich.
    »Das schöne Volk?«
    »Die Elfen und Feen, junge Frau. Hat man Euch das nicht gesagt?«
    Ich schmunzelte in mich hinein. Genau das hatte ich mir gewünscht, obwohl mein Glaube daran nicht sehr fest war.
    »Nein, darüber hat man nicht mit uns gesprochen. Aber unsere Reiseleiterin hat uns von einem Schlossgespenst berichtet.«
    Ich hörte noch die belehrende Stimme von Ms. Bertrand, die uns durch die Schönheiten des Hochlandes führen sollte.
    »Meine sehr verehrten Damen. History Tours freut sich, Ihnen auf dieser zweiten Station unserer Rundreise ›Geschichtliches Schottland‹ ein überwältigendes Erlebnis zuteilwerden zu lassen. Wir erreichen in kurzer Zeit unsere wirklich einmalige Unterkunft für heute Abend. Ein original schottisches Castle, das erst vor wenigen Jahren zu einem höchst komfortablen Hotel umgebaut wurde.«
    Ich hatte mich den gequälten Lauten meiner Tante angeschlossen, doch nicht wegen vergleichbarer Magenschmerzen. Meist gelang es mir, mich weitgehend der monotonen Stimme zu verschließen, doch als die sich schauspielerisch begnadet dünkende Cicerone mit schicksalsschwangerer Stimme von dem unheimlichen Schlossgeist zu sprechen begann, konnte ich mich nicht mehr entziehen. »...so heißt es, das Erscheinen der rot glühenden Augen des Ungeheuers kündige einen blutigen Tod in den Mauern des Schlosses an.«
    »Quatsch!«, murmelte Tante Henrietta zwischen zweimal Aufstoßen.
    »Dieser Fluch liegt über dem Schloss, seit vor vielen, vielen Jahren einmal ein junges Mädchen vor dem Kamin in der Halle meuchlings ermordet worden sein soll. Sein Geist, sagt man, sei es, der in den Vollmondnächten unruhig durch die alten Gemäuer streift und einen kalten Hauch hinterlässt, der die Bewohner zitternd zusammenrücken lässt.«
    »Blödsinn! Zieht immer wie Hechtsuppe in diesen alten Kästen.«
    Sie ist erschreckend realistisch, aber wo sie recht hat, hat sie recht, meine Tante.
     
    Der alte Mann hatte sich erstaunlich behände auf den Felsen geschwungen und fragte: »Darf ich mich eine Weile zu Euch setzen? Es ist einer meiner Lieblingsplätze in diesen sternklaren Nächten.«
    Was sollte ich tun? Beleidigt aufstehen und weggehen? Das wäre kein sonderlich höfliches Verhalten. Schließlich war ich der Eindringling. Außerdem verspürte ich auch keine Angst vor ihm, so seltsam das klingen mag. Ja, ich fand ihn sogar ein wenig faszinierend.
    »Werdet Ihr länger bleiben, junge Frau?«
    »Nein, leider nicht. Morgen reisen wir weiter. Eigentlich schade, denn das Hotel liegt unglaublich schön. Außerdem habe ich nun weder die Chance, den Schlossgeist noch die Elfen zu sehen.«
    »Ihr nehmt das nicht ernst, nicht wahr?«
    »Das mit dem Geist? Also, es ist sicher nicht so, wie die Reiseleiterin es beschrieben hat. Und die Elfen...«
    Der Alte neben mir lachte leise, als wüsste er viel mehr, als er sagen wollte.
    »Hat Euch Eure Mutter nie von den tanzenden Feen erzählt, von den Elfen, die in jeder Blüte wohnen, von den Geistern, die am fließenden Wasser hausen und in mondhellen Nächten betörend singen?«
    Er konnte es nicht wissen, der seltsame alte Mann. Er konnte nicht wissen, wie sehr er mit seiner Frage eine der schmerzhaftesten Wunden berührte, eine Wunde, die in zwölf Jahren nicht verheilt war. Aber er mochte von größerer Empfindsamkeit sein als viele andere Menschen. Denn er sah mich mitfühlend an, als ich ihm antwortete: »Doch, früher hat meine Mutter mir von ihnen erzählt.«
    »Dann fragt sie nach Eurer Rückkehr noch einmal nach den Elfen, Kind.«
    Ich schüttelte stumm den Kopf. »Ich kann sie nicht mehr fragen, sie ist seit Jahren tot.«
    »Armes Kind. Was ist ihr geschehen?«
    Warum? Warum erzählte ich es einem völlig Fremden, was ich sonst keinem Menschen anvertraute? Lag es
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