Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
MacTiger - Ein Highlander auf Samtpfoten

MacTiger - Ein Highlander auf Samtpfoten

Titel: MacTiger - Ein Highlander auf Samtpfoten
Autoren: Andrea Schacht
Vom Netzwerk:
Abschluss hatten sie vereinbart, alle zwei Jahre bei einem gemeinsamen Urlaub ihre Erfahrungen auszutauschen. Ich fand ihr Gebaren hochgradig arrogant und selbstgefällig. Obwohl, wenn man den Gesprächen an dem anderen Tisch lauschte - ob das besser war?
    »...mit der Arthritis in den Gelenken werde ich...«
    »...heute wieder keine Verdauung gehabt, ich muss doch mal...«
    »...Irma, du hast deine Tabletten wieder nicht...«
    »...ihr den Magen ausgepumpt...«
    »...eine Blasensenkung und dann auch noch offene Beine...«
    »...schon die dritte Operation an der Galle...«
    Kritisch beäugte ich meine geräucherte Forelle. Ob ich daraufhin auch über Verdauungsbeschwerden zu klagen hatte? Allein das Zuhören konnte einen schon krank machen. Aber dann nahm ich den ersten Bissen und verlor meine Bedenken. Der Fisch war wirklich gut. Darum war ich in der Lage, den Ober anzulächeln, als er mir mit ernster Miene die Lammkoteletts servierte. Außerdem konnte es um die Gesundheit meiner Mitreisenden so schlimm nicht bestellt sein, denn die Gallen- und Magenkranken schaufelten mit großer Geschwindigkeit und fraglos großem Genuss riesige Portionen der deftigen Gerichte in sich hinein.
    Hingegen hielten sich die figurbewussten Jungmanager an diätetischere Lebensmittel, dafür war der Konsum von Lager, Porter und Brown Ale kräftiger. Je mehr sie davon zu sich nahmen, desto größer wurden ihre Erfolge, und desto unfähiger agierten ihre Kontrahenten. Ob ich es auch mit einer pint of Lager versuchen sollte? Vielleicht würde dann mein Chef auch zu seiner richtigen Größe zusammenschrumpfen. Oder ich zu der richtigen Größe auswachsen?
    »Maggi, wie geht es deiner Tante?«
    Frau Liebmann hatte mich entdeckt und stand an meinem Tisch.
    »Sie hat sich hingelegt.«
    »Du musst ihr unbedingt etwas von diesen köstlichen Scottish Eggs und den Kippers hinaufbringen.«
    »Ich fürchte, sie wird nichts essen wollen. Ihr Magen ist noch etwas empfindlich nach der Busfahrt.«
    Die hart gekochten Eier und der Räucherhering würden ihr vermutlich den Todesstoß versetzen.
    »Ach, papperlapapp. Sie hätte heute Mittag nicht so schwer essen sollen. Das drückt nur auf die Galle in unserem Alter.«
    Über derartige unappetitliche Details wollte ich mich nicht auslassen, aber eine andere mitfühlende Seele fragte gleich darauf: »Hat sie denn gebrochen?«
    »Jetzt kriegen wir auch noch das Gesundheitsbulletin der gesamten Mannschaft verlesen«, tönte es aus der Manager-Ecke.
    »Na dann Mahlzeit.«
    »Na, wie geht’s denn nun der Tante? Hat sie gebrochen?«, fragte der Typ lauthals, den sie John-Tom genannt hatten. Ich merkte, wie meine Ohren röter wurden als meine Haare. Und das will schon was heißen.
    »Und vor allem, was? Und wohin?«
    »Haben Sie auch unter solchen Beschwerden zu leiden?«
    »Sie leidet nur unter Bildung, John-Tom.«
    Das kam von dem grässlichen Menschen namens Ken, der mich schon beim Eintreffen schief von der Seite angesprochen hatte.
    »Bildung von was? Von Lippenbläschen? Dann sollte sie beim Küssen aufpassen.«
    Darauf mischte sich auch noch eine aristokratische Walküre ein.
    »Jungs, haltet ein. Seht ihr nicht - dem Mädel kommen gleich die Tränen.«
    »Nanu, Gina, seit wann hast du denn Mitleid mit deinen Schwestern?«
    »Immer, Ken, solange sie keine Konkurrenz sind.«
    Ein Blick milder Verachtung streifte mich, und in meinen Augen wurde es heiß durch die aufsteigenden Tränen. Wie entsetzlich. Nur kein Schauspiel bieten. Unter Anspannung nahm ich einen Bissen von meiner Gabel, aber ich hatte Mühe, ihn hinunterzuwürgen. Diese herzlosen Affen hatten ihr Opfer gefunden. Sie amüsierten sich prächtig über die gebrochene Tante und überschütteten mich mit spöttischen Bemerkungen. Ich hielt es einfach nicht mehr aus, warf die Serviette auf den Tisch und verließ den Raum.
    In den kühlen Gängen spürte ich, wie mein Gesicht glühte. Warum konnte ich mich in solchen Momenten nie wehren? Warum fiel mir nie etwas Schlagfertiges ein? Und wenn doch, dann fiel es immer auf mich zurück.
    Ich schlich zurück in mein Zimmer und lehnte meine Stirn an das kalte Fenster. Ein wenig zog es durch den altmodischen Holzrahmen. Hunger hatte ich gar keinen mehr. Dafür zwickte mich mein Magen zu sehr vor lauter Ärger. Das wiederum erinnerte mich an Tante Henrietta. Vielleicht sollte ich noch einmal zu ihr gehen?
    Auf mein Klopfen antwortete sie nicht, also öffnete ich leise die Tür zu ihrem Zimmer. Sie lag im Bett
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher