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MacTiger - Ein Highlander auf Samtpfoten

MacTiger - Ein Highlander auf Samtpfoten

Titel: MacTiger - Ein Highlander auf Samtpfoten
Autoren: Andrea Schacht
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diese Reise mit der Pflege einer ungnädigen Patientin verbringen durfte.

Ein trauriges Gespenst
    Ich saß auf einem meiner Lieblingsplätze und hing meinen Gedanken nach. Dieser Kaminsims weckte Erinnerungen, unsäglich traurige Erinnerungen. Unter meinen Pfoten blühte, in Stein gemeißelt, eine Silberdistel, und immer, wenn ich sie sah, musste ich an die eine denken.
    Hätte ich doch nur die ausgestreckte Hand ergriffen, die mich mit emporgezogen hätte in die himmlischen Regionen!
    Aber man gewöhnt sich sogar an die Hoffnungslosigkeit.
    Wenn es auch einige Zeit gedauert hat, bis ich mich mit meinem unglücklichen Dasein abgefunden hatte. Immer wieder wollte ich mein Fell putzen, und genauso oft musste ich feststellen, dass von dem schönen getigerten Mantel nichts mehr da war. Ein durchsichtiger Schatten war ich geworden, unfähig, auch nur einer halb verhungerten Maus die Kralle zu zeigen. Und einsam war ich in den ersten Jahren. Die Balken der Burg vermoderten, der Turm stürzte ein, Plünderer kamen und nahmen alles mit, was sich bewegen ließ. Ich war machtlos, nichts konnte ich tun.
    Irgendwann blieb ich einfach unter dem morschen Gebälk sitzen und haderte mit meinem Schicksal. Bis ich dann ganz allmählich meine neuen Fähigkeiten entdeckte. Ich konnte spuken! Das stellte ich fest, als die Leute sich daranmachten, das alte Gemäuer wieder herzurichten.
    Es war einer der MacDuffnets, aber keiner aus den Highlands, sondern ein Nachkomme eines alten Clans, von denen viele ausgewandert waren. Dieser hier kam aus Kanada zurück. Als er mit Frau, Kindern und Dienern eingezogen war, merkte ich, wie ich mich bei den schlichten Gemütern mit ein bisschen Willenskraft meinerseits bemerkbar machen konnte. Ich lernte, sensiblen Menschen in unterschiedlichster Gestalt zu erscheinen, fürchterliche Geräusche zu produzieren - ja, ich bin stolz darauf, ein geradezu markerschütterndes Fauchen hervorbringen zu können. Es erschreckte sie sehr. Und mir versüßte es ein bisschen die Einsamkeit.
    Aber heutzutage! Lange dauerte diese Form der Belustigung nämlich nicht. Seit das Hotel nicht mehr von Reisenden mit Zeit und Muße bewohnt wurde, wie es noch Anfang des Jahrhunderts üblich war, sondern moderne Touristen aufnahm, blieb mir die kultivierte Form des Spukens verwehrt. Alle zwei, drei Wochen kommen andere aus der Gattung Mensch vorbei. Und in den letzten Jahren gar bleiben sie sowieso manchmal nur für eine Nacht. Aber das Schlimmste ist, keiner nimmt mich mehr wahr, geschweige denn ernst. Sie sitzen vor den komischen Kribbelkästen, die sie Fernseher nennen, starren auf die kleinen Geister, die sich darin bewegen, und kriegen nicht einmal mehr mit, wenn man um sie herum geistert wie verrückt.
    Und nun ist in das Zimmer mit meinem Lieblingskaminsims eine spillerige Rothaarige eingezogen. Nirgendwo hat man mehr seine Ruhe.
    So streif ich einsam übers Moor - Nameless here for evermore. 2

Ein niederschmetterndes Abendessen
    Nachdem ich Tante Henrietta versorgt und mich selbst frisch gemacht hatte, war endlich die Zeit zum Abendessen gekommen. Doch ich war nicht die Erste im Speisesaal.Unsere Reisegruppe hatte bereits ihre Plätze an den weiß gedeckten Tischen eingenommen. Mir blieb nur die Wahl, mich zu Frau Liebmann zu setzen oder einen Tisch allein neben der Gruppe großspuriger Jungmanager zu belegen. Beides unterschiedliche, aber in ihrer Art gleichwertige Übel. Ich nahm die Nähe der jungen Damen und Herren in Kauf und vertiefte mich in die Speisekarte. Doch der lautstarken Unterhaltung konnte ich mich nicht entziehen.
    »…und ihnen einen absoluten Topseller gemanagt...«
    »...natürlich das Lean Management eingeführt...«
    »...drei Charts mit einem Overview auf den Tisch gelegt, und schon lief die Sache...«
    »...und endlich den Turn-around hingekriegt...«
    »...klar, dass die mit dem Network keinen Deal...«
    »...sauber getimt und dann das Downsizing...«
    Die Elite berichtete sich gegenseitig von ihren Erfolgen. Ich schrumpfte noch ein bisschen mehr zusammen. Wann immer ich mit solch selbstbewussten Menschen zusammenkam, wurde ich zur grauesten aller Mäuse. Darum musste der Ober auch dreimal nachfragen, bis ich laut genug meine Bestellung aufgeben konnte.
    Anschließend erfuhr ich, dass sich die sechs Herren und zwei Damen zu einem einwöchigen Treffen zusammengefunden hatten. Sie waren Absolventen einer der elitären Business Schools, deren Studenten sich vornehm Alumni nannten. Nach dem
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