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MacTiger - Ein Highlander auf Samtpfoten

MacTiger - Ein Highlander auf Samtpfoten

Titel: MacTiger - Ein Highlander auf Samtpfoten
Autoren: Andrea Schacht
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in der ungezähmten Natur existierten, mit sehnsüchtigen Fantasien.
    Seit zwei Tagen waren wir unterwegs, und der heutige war für mich ungewöhnlich anstrengend gewesen, denn Tante Henrietta hatte sich eine Magenverstimmung zugezogen.
    Tante Henrietta, die ältere Schwester meiner Mutter, kümmert sich seit deren Tod vor zwölf Jahren um mich. Inzwischen hatte ich zwar mein sechsundzwanzigstes Jahr erreicht, aber sie fühlte sich noch immer für mich verantwortlich. Vor allem, was meine Urlaube anbelangte. Sie war eine äußerst disziplinierte Frau, die die Aufgabe sehr ernst nahm, mir Haltung und Weltkenntnis mitzugeben. Darum machten wir jedes Jahr gemeinsam eine Bildungsreise. Nach meinen Wünschen selbstverständlich. Und auf ihre Kosten.
    Das Unglück begann beim Mittagessen. Meine Tante machte es sich immer zur Pflicht, in jedem Land die typischen Gerichte zu essen, koste es sie, was es wolle. In Schottland musste es daher das Scotch Haggis sein, ein mit Innereien gefüllter Schafsmagen. Ich bin eigentlich auch ganz aufgeschlossen, was landestypisches Essen betrifft, aber hier war die Grenze des Erträglichen erreicht. Ich bestellte gedünsteten Lachs für mich. Tante Henrietta hatte mich missbilligend angesehen und todesmutig eine üppige Portion Schaf verspeist.
    Das anschließende Geschaukel des Busses auf den schmalen, gewundenen Straßen war keine gute Kombination im Zusammenspiel mit diesem Gericht. Sie begann blasser und blasser zu werden und drückte sich verzweifelt ein Taschentuch an den Mund. Über das Tuch hinweg schenkte sie mir einen Blick, als ob ich schuld an dem Zustand der Straße sei.
    Unsere Gruppe setzte sich überwiegend aus älteren Damen ohne Anhang zusammen. Sie waren uns fremd, bis auf eine Dame. Es war reiner Zufall, dass Hilde Liebmann, die mit Tante Henrietta seit vielen Jahren lose befreundet war, ebenfalls diese Reise gebucht hatte. Über die klebrige Art und Weise, wie sie sich uns sofort anschloss, war ich nicht sehr glücklich. Aber Tante Henrietta hatte mich nur warnend angesehen, als ich leise protestieren wollte. Trotzdem hatte sie sich nicht besonders intensiv mit ihr unterhalten. Frau Liebmanns Redeschwall versiegte denn auch bald in Tante Henriettas zugeknöpftem Schweigen.
    Sie würde uns während der nächsten zwei Wochen erhalten bleiben, und bei dem Gedanken musste ich einen leichten Überdruss unterdrücken. Auch mich kannte sie schon seit meiner Kindheit, darum war ich für sie immer noch die kleine »Maggi«, obwohl ich es inzwischen vorzog, Margita genannt zu werden.
     
    Als wir am Schlosshotel Drumnadruid Castle gegen vier Uhr aus dem Bus kletterten, grummelte Tante Henrietta leise vor sich hin. Ihr Missfallen galt dem Dudelsackspieler, der vor dem Tor des Hotels posierte und ziemlich schräg »Amazing Grace« pfiff. Wenn sie das Taschentuch nicht an die Lippen gepresst hätte, hätte sie es sich wahrscheinlich in die Ohren gestopft. Das zumindest konnte ich verstehen, wenngleich unsere anderen Mitreisenden mit verklärten Augen stehen blieben und zuhörten.
    »Ach, Henrietta, ist das nicht originell, uns mit diesem alten Brauchtum zu empfangen. Ich bin sicher, wir werden uns hier sehr, sehr wohlfühlen«, säuselte Frau Liebmann neben uns.
    »Urrgh!«, antwortete meine Tante vielsagend.
    »Hach, dieses bezaubernde alte Schloss mit den trutzigen Türmen. Hoffentlich bekommen wir ein Zimmerchen da oben. Nicht, Maggi, dir würde das doch auch gefallen?«
    Ich war unhöflich, aber Hilde Liebmann ging mir mehr und mehr auf die Nerven. Alles und jedes musste sie kommentieren, das war ihre hervorstechendste Eigenschaft. Den gesamten Nachmittag hatte sie schon ihre verbalen Schwallduschen über uns ergossen. Darum antwortete ich nun mit einem ähnlich erstickten Laut wie zuvor Tante Henrietta.
    »Oh, und da ist auch schon unser Gastgeber, der Schlossherr. Seht mal, sogar im Kilt! Welchem Clan er wohl angehört? Ich habe schon sooo viel über diese Tartarenmuster gelesen. Er muss uns alles, alles erzählen!«
    Ich sehnte mich inzwischen auch nach einem Taschentuch, aber nicht, um es mir an die Lippen zu pressen, sondern um Frau Liebmann damit zu knebeln. Manchmal habe ich solche gesellschaftlich nicht akzeptablen Sehnsüchte. Ich lasse es allerdings nicht zu, dass sie mich überwältigen, und zum Glück hatte der Busfahrer mittlerweile das Gepäck ausgeladen. Die hektische Sicherung des Eigentums begann. Zwanzig erfahrene Busreisende stürzten sich auf die Koffer und
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