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Die Uno

Die Uno

Titel: Die Uno
Autoren: Klaus Dieter Wolf
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I. Einführung:
Die Vereinten Nationen vor neuen Aufgaben
    Jeder Versuch, die Rolle der UNO in der Weltpolitik zusammenhängend darzustellen, ist zugleich auch ein Spiegel der Veränderungen, die die grenzüberschreitenden Beziehungen seit der Gründung der Weltorganisation im Jahr 1945 durchlaufen haben. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts, nach dem Ende des Ost-West-Konflikts, in Zeiten des grenzüberschreitenden Terrorismus und des Staatszerfalls, steht auch die UNO vor dem Eintritt in eine neue Phase. Ihre bisherige Ausrichtung auf die Staatenwelt ist am Anfang des 21. Jahrhunderts auf eine fundamentalere Weise als je zuvor infrage gestellt. Niemand hat dies deutlicher zum Ausdruck gebracht als der siebte Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kofi Annan, als er am 31. Dezember 1998 feststellte: «Bisher verhandelten die Vereinten Nationen nur mit Regierungen. Heute wissen wir, dass Friede und Wohlstand ohne Partnerschaft zwischen den Regierungen, den internationalen Organisationen, der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft nicht möglich sind. In der heutigen Welt sind wir alle voneinander abhängig.» Der Wandel der grenzüberschreitenden Beziehungen rückt die Bedeutung der Staaten und der Staatenwelt in ein neues Licht, deren Geschöpf die UNO ist und deren Schutz sie ursprünglich vor allem dienen sollte.
    Unerwarteten Herausforderungen sahen sich die Vereinten Nationen zwar von ihrer ersten Stunde an ausgesetzt. So war ihr Kernstück, der Sicherheitsrat, mit dem Auseinanderbrechen der Kriegskoalition praktisch von Geburt an gelähmt und während der gesamten Zeit des Kalten Krieges funktionsunfähig. Dessen Beginn stellte aber «nur» insoweit eine erste Zeitenwende in der damals noch jungen Geschichte der Vereinten Nationen dar, als sich damit lediglich die Staatenwelt neu konfigurierte. Der gegenwärtige Wandel geht sehr viel weiter. Mit der Auflösungder Blöcke sind jahrzehntelang unterdrückte innerstaatliche Konflikte wieder aufgebrochen, die durch die Folgen der Globalisierung noch verschärft wurden. Dies hat in einigen besonders dramatischen Fällen zum Zerfall von Staatsverbänden geführt, die zur Beute privater Kriegsherren oder organisierter Krimineller und deren Territorien zu den «Heimathäfen» terroristischer Organisationen wurden.
    Die Staaten sind, wenn es um Frieden und Sicherheit geht, nicht mehr das, was sie früher einmal waren, und sie sind auch nicht mehr unter sich. Gefährdungen gehen immer weniger von zu viel ungehemmter staatlicher Machtausübung gegenüber anderen Staaten aus, sondern immer häufiger von Problemen, die dadurch entstehen, dass mit der staatlichen Autorität eine tragende Säule der bisherigen Weltordnung zerfällt. Der Nationalstaat stellt heute in vielen Bereichen nicht mehr die natürliche Bezugsgröße für politische, gesellschaftliche und ökonomische Entwicklungsprozesse dar. Die staatliche Ebene steht von außen und von innen gleichermaßen unter Druck. Von außen hat die Globalisierung des Wirtschaftsgeschehens die Suche nach neuen Formen der politischen Steuerung ausgelöst, in denen der Staat eine andere Rolle spielen wird als bisher. Im Inneren rütteln ethno-nationalistische Fragmentierungsprozesse und die mit der Verbreitung der Demokratie verbundene Aufwertung des Prinzips der individuellen Selbstbestimmung an der Legitimität staatlicher Herrschaft. Dabei rücken die Bedürfnisse der Menschen immer mehr in den Vordergrund. Das Ziel, den Einzelnen vor existenziellen Bedrohungen zu schützen, tritt in Konkurrenz zu dem ursprünglichen Ziel der Vereinten Nationen als Beschützerin der staatlichen Souveränität gegenüber Eingriffen von außen. Die Akzente beginnen sich hin zu einer auf das Wohl der Menschen und nicht mehr nur der Staaten ausgerichteten internationalen Verantwortung zu verschieben.
    Kurzum: Das Staatensystem steckt in der Krise. Weder ist es als Ganzes noch ausreichend in der Lage, grundlegende weltpolitische Ordnungsleistungen zu erbringen, noch können seine Bestandteile, die einzelnen Staaten, die von ihnen erwarteten Ordnungsfunktionen alle gleichermaßen wirksam und auf einerechtsstaatlichen Anforderungen genügende Weise wahrnehmen. Dieser Befund hat für die Vereinten Nationen einschneidende Konsequenzen. Die UNO ist eine zwischenstaatliche («intergouvernementale») Organisation, die ganz wesentlich auf ein funktionsfähiges Staatensystem und auf gegenüber Wirtschaft und Gesellschaft handlungsfähige Staaten angewiesen
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