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Machtlos

Machtlos

Titel: Machtlos
Autoren: Alex Berg
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Wohnzimmer, während Marc bei der Arbeit und die Mädchen in der Schule waren, und klickte sich durch die Sondersendungen der verschiedenen Kanäle. Einmal erkannte sie Eric Mayer, der hochkonzentriert im dunklen Anzug und mit Knopf im Ohr in der Nähe des Pulks der Politiker stand. Ihr Blick blieb an ihm hängen, bis die Regie eine andere Einstellung zeigte, und sie begriff, dass sie ihn vermisste. Er war da gewesen für sie auch in den Tagen nach ihrer Rückkehr. Er war der Einzige, der wusste, was geschehen war, was sie erlebt hatte. Es schaffte eine gefährliche Nähe …
    * * *
    Robert F. Burroughs blickte über den Bosporus hinüber auf die andere Seite Istanbuls. Die Sonne schien ihm ins Gesicht. Nicht warm, aber wärmer als in Hamburg. Ihr Licht spiegelte sich in den tanzenden kleinen Wellen vor ihm und wisperte von der Leichtigkeit des Sommers, der auch hier noch weit entfernt war. Burroughs fragte sich, wo er ihn verbringen würde. Seine Schulter schmerzte. Wärme würde ihr guttun.
    Schiffe kreuzten vor ihm auf dem Wasser. Kleine Fischerboote, Fähren und ein großes Containerschiff. Möwen kreischten. Nicht weit entfernt saßen zwei Jungen und angelten. Hinter ihm auf der Straße brauste der Verkehr vorbei. Er bemerkte nicht, wie ein Wagen aus dem Verkehrsfluss ausscherte und langsamer wurde, bis er knapp hinter ihm zum Stehen kam. Zwei Männer stiegen aus. Sie waren gut gekleidet und bewegten sich mit geschmeidiger Sicherheit auf Burroughs zu wie Raubkatzen, die ihr Opfer einkreisten. Sie hatten ihm das Betäubungsmittel injiziert, bevor er überhaupt merkte, dass sie da waren.
     
    Als Burroughs wieder zu sich kam, waren seine Hände hinter seinem Rücken gefesselt. Er saß nackt auf einem Stuhl, auch seine Füße waren fixiert. Sein Kopf dröhnte, und er hatte einen pelzigen Geschmack im Mund. Vor seinen Augen verschwamm alles, doch allmählich klärte sich sein Blick. Vor ihm stand ein Fernsehschirm, über den immer wieder dieselben Bilder liefen. Er brauchte eine Weile, bis er begriff, dass es Aufnahmen des Gipfels in Hamburg waren, die sich dort in einer Endlosschleife vor ihm abspulten. Der amerikanische Präsident, der einer jubelnden Menge zuwinkte. Die deutsche Bundeskanzlerin am Rednerpult. Lachende, zufriedene Gesichter. Flatternde Flaggen.
    »Der Präsident hat heute Morgen eine Pressekonferenz im Weißen Haus gegeben«, hörte er eine Stimme hinter sich, von der er gehofft hatte, sie nie wieder hören zu müssen. »Zwei der wichtigsten Männer aus der Rüstungsbranche, Stützen der amerikanischen Wirtschaft, sind bei einem noch ungeklärten Hubschrauberabsturz ums Leben gekommen. Ihr Kollege John Miller war auch mit an Bord.«
    Burroughs konzentrierte sich auf das Gesicht der deutschen Staatschefin vor ihm. Etwas Kaltes drückte sich in seinen Nacken.
    »Wir haben uns auf Sie verlassen, Burroughs, und Sie haben uns enttäuscht.«
    Lachende Gesichter. Flatternde Fahnen.
    Die Kälte umschloss ihn, und Burroughs atmete gegen den Schmerz an, der durch seinen Körper zuckte. Er spürte, wie seine Füße taub wurden.
    »Es gibt ein paar Leute, die sehr unzufrieden mit der neuen Situation sind«, fuhr die Stimme hinter ihm fort.
    Der Bildschirm vor ihm wurde schwarz, dann blickte er auf die brennenden Trümmer eines Helikopters in einer Waldlichtung. Ohne genauer hinzusehen, wusste er, dass es sich um ein altes, ausrangiertes Modell handelte. Niemand würde in diesen Zeiten eine der neuen teuren Maschinen opfern. Blaulicht zuckte über die Lichtung, Feuerwehrleute und Sanitäter hasteten durchs Bild, die Kameraführung war unsicher wie bei einem Amateurvideo. Es war gerade genug und gleichzeitig viel zu wenig zu erkennen. Eine perfekte Inszenierung.
    Wieder wurde der Bildschirm schwarz.
    Die Taubheit breitete sich von seinen Füßen in seine Waden hinauf aus. Er versuchte zu ignorieren, was passierte, während auf dem Bildschirm sein unrasiertes Gesicht auftauchte. Das Schlimme war, dass er wusste, was sie vorhatten. Und sie wussten, dass er es wusste. Er blickte in seine eigenen halbgeschlossenen, blutunterlaufenen Augen.
    Die Kamera machte einen Schwenk, und sein Körper spannte sich ungewollt in seinen Fesseln, als er sah, wie sich seine Vermutung bestätigte. Aber er würde nicht um sein Leben betteln. »Mach’s kurz, Arschloch«, sagte er heiser.
    * * *
    Marc löste den Blick vom Bildschirm seines Computers, als sein Telefon klingelte. Er griff nach dem Hörer. Es war seine
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