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Machtlos

Machtlos

Titel: Machtlos
Autoren: Alex Berg
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die wenigen Stufen hinab und in den Wagen. Die Fahrt dauerte nicht lange. Der Flughafen lag am Stadtrand, das Regierungsviertel, in dem auch die diplomatischen Vertretungen untergebracht waren, nur wenige Kilometer entfernt.
    Der Botschafter erwartete ihn bereits. »Schön, Sie wieder einmal bei uns zu haben, Eric«, begrüßte er ihn. »Wie ich höre, haben Sie sich freiwillig für den Job gemeldet.«
    Mayer lächelte und nahm den Begrüßungsdrink entgegen, in dem die Eiswürfel leise gegeneinander schlugen, als er das Glas an die Lippen setzte.
    »Der Gipfel in Hamburg scheint ja problemlos über die Bühne gegangen zu sein«, fuhr der Botschafter im Plauderton fort. »Wir hatten uns schon Sorgen gemacht, nachdem im Vorfeld durch die Anschläge in Kopenhagen und Hamburg doch große Aufregung herrschte.«
    Mayer betrachtete sein Gegenüber. Der Mann war seit Jahren hier vor Ort, und das Klima und die nie endenden Spannungen in der Region hatten ihre Spuren hinterlassen. Sein ehemals dunkles Haar war inzwischen grau, obwohl er die fünfzig gerade erst überschritten hatte, und seine Haut war von einem Braunton, der wie eingegerbt schien.
    »Es war kalt in Hamburg«, war Mayers einziger Kommentar auf die Bemerkung des Botschafters.
    »Eine großartige Stadt«, sagte dieser mit einem Seufzen. »Dieser Blick über die Innenalster mit den Hauptkirchen und Kaufmannshäusern …«
    Mayers Gedanken schweiften ab, und für den Moment vergaß er seine Umgebung und war zurück in der Stadt, die er am Morgen im Schneetreiben hinter sich gelassen hatte. Es war ein Abschied, der ihm nicht leichtgefallen war. Umso wichtiger war es gewesen, ihn konsequent und schnell zu vollziehen. Die meisten Mitarbeiter der Einheit waren bereits abgereist. Waren wie die Marketender dem Tross ihrer Regierungen gefolgt. Man würde sich wiedersehen. Im nächsten Jahr in Italien, vielleicht in zwei Jahren in Südamerika. Archer hatte ihn nach Kanada eingeladen. »Warum immer Naher Osten, Eric? Lieben Sie die Gefahr so sehr?« Ihr Blick war vielsagend gewesen. Er hatte wohl gewusst, worauf sie anspielte, aber er ignorierte ihre Spitze völlig. »Ich mag das Klima«, hatte er geantwortet und noch nicht einmal gelogen. Ottawa lag entschieden zu weit im Norden. Archer war die Einzige, die seinen Entschluss kommentiert hatte. Martinez hatte nur gelächelt und
»See you, dude«
gesagt, und Mayer ahnte, dass dieses Wiedersehen in nicht allzu weiter Ferne lag.
    Sein Vorgesetzter in Pullach hatte tatsächlich gefragt, ob er nicht erst einmal Urlaub machen wollte, aber Mayer hatte dankend abgelehnt. »Ich würde gern nach Damaskus gehen«, hatte er stattdessen gesagt.
    »Haben Sie schon einmal überlegt, in Deutschland zu bleiben? Zu Hause?«, hatte ihn sein Chef darauf gefragt. »Sind Sie wirklich so rastlos?«
    »Ich habe meine Wohnung bereits vor dem Einsatz in Hamburg gekündigt. Sie steht doch die meiste Zeit leer«, hatte Mayer erwidert und sich gleichzeitig gefragt, wie viel Vorsehung dabei gewesen war. Nicht, dass er auch nur im Entferntesten an so etwas wie Vorsehung glaubte, aber bisweilen war es gut, einfach ohne Weiteres in ein Flugzeug steigen zu können und alles hinter sich zu lassen. Zwischen Hamburg und Damaskus lagen genug Kilometer, um Abstand zu gewinnen und zu vergessen.
    Er seufzte tief, als er sich in seinem Sessel zurücklehnte und auf die Geräuschkulisse hörte, die durch das Fenster zu ihnen hereindrang, auf den Motorenlärm und das beständige Hupen, das den Straßenverkehr des Orients begleitete. Es gab viel zu tun hier. Zu viel, als dass Zeit zum Grübeln blieb. Für Valerie Weymann hatte er alles getan. Mehr war nicht möglich, ohne die Grenzen zu überschreiten, die er sich selbst gesetzt hatte.
    »Wir haben eine Wohnung in der Ville Nouvelle für Sie angemietet«, sagte der Botschafter. »Ein Fahrzeug aus dem Fuhrpark steht für Sie bereit.«
    Mayer spürte, wie die nächsten Monate vor seinem inneren Auge Gestalt annahmen. »Wie ist die Lage?«
    »Brisant. Der syrische Außenminister ist ein viel beschäftigter Mann, seit die Europäer ihre Isolationspolitik gegenüber Syrien aufgegeben haben. Es laufen zahlreiche Projekte an – nicht nur auf wirtschaftlicher und politischer Ebene, sondern auch in Sicherheitsfragen.«
    Mayer nickte langsam. Deswegen war er hier. Der europäischen Wiederannäherung sollte, so hofften alle, eine Zusammenarbeit mit den USA folgen, um Syrien in ein Schlüsselland zu verwandeln und das
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